0990 - Der Killer-Clown
Sekunden später, als sie einen Platz ansteuerte, an dem schon andere Autos standen.
Sie entdeckte einen bestimmten Rover und auch einen bestimmen BMW. Jane kannte beide Wagen. Den Rover fuhr John Sinclair. Der BMW gehörte Suko.
Dann war er also auch hier!
Das wunderte Jane, steigerte ihre Laune oder ihr positives Denken aber nicht, denn sie konnte sich vorstellen, daß auf diesem Gelände einiges nicht mit rechten Dingen zuging.
Jane stellte ihren Golf zwischen den beiden Autos der Freunde ab. Nach dem Aussteigen blieb sie noch neben dem Golf stehen. Ihre glatte Stirn zeigte Furchen. Der Wind blies stärker. Er ließ den Stoff ihrer halblangen Jacke knattern. Sie stellte den Kragen hoch und schaute zu den Wagen hinüber.
Die Versorgungsschläuche lagen wie dunkle, tote Schlangen auf dem Boden. Sie regten sich überhaupt nicht. Das war natürlich. Nicht aber die Ruhe zwischen den Wagen.
Die Detektivin holte tief Luft. Sie kam mit den äußeren Bedingungen nicht mehr zurecht. Über dem gesamten Gelände schwebte ein nicht sichtbarer böser Schatten.
Auch Suko und John konnte sie nicht sehen. Die Lage hier schien sich verschlimmert zu haben, ohne daß sie etwas davon gewußt hatte. Und auch jetzt sah sie noch nichts.
Sie näherte sich den Wagen mit langsamen Schritten. Natürlich hätte sie auch zuerst das Zelt betreten können, aber ein Gefühl trieb sie mehr zu den Wohnwagen und Wohnmobilen hin.
Dort stand nicht eine Tür offen. Sie hörte keine Musik. Weder eine Männernoch eine Frauen-oder eine Kinderstimme. Über dem Zirkus hing eine unnatürliche Stille.
Als sie den ersten Wagen erreicht hatte, blieb sie stehen. Es war ein hohes Wohnmobil. Jane mußte sich auf die Zehenspitzen stellen, um überhaupt in den Wagen hineinschauen zu können.
Sie sprang hoch.
Flüchtige Blicke ins Innere gelangen ihr, doch etwas Bestimmtes oder auch Verdächtiges war nicht festzustellen.
Das beruhigte sie keineswegs.
Sie ging an der Seite des Wagens entlang auf das Fahrerhaus zu. Der Boden unter ihr war durch die Feuchtigkeit weich geworden, aber nicht so schlimm, daß sie einsank.
Ein fremder Geruch erreichte ihre Nase. Noch immer in Höhe des Wagens blieb Jane stehen. Der Geruch hatte sie irritiert. Unwillkürlich faßte sie nach ihrer Waffe. Sie steckte im Gürtel der Jeans.
Sie zog die Pistole hervor, behielt sie aber nicht in der Hand, sondern ließ sie in der rechten Tasche ihrer Jacke verschwinden.
Sie wollte weitergehen, als sie das Schleifen oder leise Tappen hörte.
Von vorn war es gekommen. Sie blieb stehen.
Jemand bog um die Kühlerhaube des Fahrzeugs herum, aber das war kein Mensch. Ein Mensch hatte nur zwei, keine vier Beine.
Jane traute ihren Augen nicht.
Wer sich da in ihr Blickfeld geschoben hatte und jetzt stehenblieb, um sie anzustarren, war ein Löwe, der um den Kopf herum eine gewaltige Mähne trug…
***
Das ist doch nicht wahr! Das packe ich nicht! Nein, so etwas ist unmöglich. Das bilde ich mir nur ein. Das ist ein Alptraum. Das - das kann nicht gehen.
Es waren unzählige Gedanken, die durch ihren Kopf wirbelten, sie aber nicht von der Tatsache ablenken konnten, daß sich vor ihr tatsächlich ein Löwe aufgebaut hatte.
Er tat nichts. Er stand einfach nur da. Seine Anwesenheit reichte aus, um Jane die Schauer der Furcht über den Körper rieseln zu lassen, und auch im Magen spürte sie das Kneifen.
Was soll ich tun? Was kann man überhaupt tun, wenn einem plötzlich ein Löwe gegenübersteht?
Es gab für viele Fragen im Leben die entsprechenden Antworten. Aber nicht für eine derartige Situation. Da konnte Jane in keinem Lehrbuch nachschlagen.
Ruhig bleiben. Ich muß wirklich ruhig bleiben. Ich darf mich nicht bewegen und nichts tun. Nur starr auf der Stelle stehen. Dem Tier keine Chance für einen Angriff bieten. Wenn ich mich falsch bewege oder nur dumm zucke, ist es vorbei.
Es war kühl an diesem Morgen. Dennoch schwitzte Jane, und sie merkte, wie ein Tropfen, kalt wie eine winzige Eiskugel, ihren Rücken hinunterrollte.
Gern wäre sie einem Gefühl gefolgt und hätte die Schultern gehoben, aber auch das traute sie sich nicht.
Der Löwe bannte sie!
Sein Anblick allein hatte ihr Blut zu Eis werden lassen. Die Zeit verging normal, aber dafür hatte Jane kein Gefühl mehr. Sie kam sich wie eine Person vor, die aus dem normalen Leben herausgerissen und neben sich gestellt worden war.
Plötzlich dachte sie an ihre Waffe. Nein, um Himmels willen! Sie würde die Pistole nicht aus
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