1 - Schatten im Wasser
Tonne und eine rote Nase von all dem Wein bekommen.«
In Wirklichkeit war sie nie schöner gewesen. Johann konnte sich nicht satt sehen an ihr. Ihre Haut schimmerte, die blauen Augen strahlten, und ihr Haar glänzte wie schwarze Seide. Ihr Glück umgab sie wie ein leuchtender Schleier, denn noch etwas war geschehen. Wie eine kräftige junge Pflanze hatte sie ein Wurzelgeflecht entwickelt. Es bohrte sich durch die rote Erde, verwuchs mit dem von Johann und der anderen Menschen, die ihr nahe standen, Dan, Mila, Pierre, Jikijiki und Sicelo. Noch war es ihr nicht bewusst, aber schon jetzt würde es einer brutalen Amputation gleichkommen, sollte sie versuchen, diese Wurzeln zu kappen.
Von Tim Robertson kam das schönste Geschenk, ein kleiner Stapel Papier. Kein gutes Papier und wirklich nicht viel, aber nun konnte sie wenigstens ihr Tagebuch weiterführen. Freudig schlug sie ihr Heft auf, spitzte ihre Gänsefeder und tauchte sie ins Tintenfass. Sie hatte mit zerstoßener Kohle, Holzasche, Wasser und ein wenig Bindemittel experimentiert, das sie durch Kochen von Rinderhufen gewonnen hatte, und, obwohl es ein erbärmlicher Ersatz für richtige Tinte war, konnte man das Geschriebene immerhin lesen. Al erdings beschrieb sie das Blatt nicht nur waagerecht, sondern auch senkrecht, sodass es am Ende mit einem engmaschigen Gitter spinnefeiner Schriftlinien bedeckt war. Das Ergebnis war verwirrend, und man hatte Mühe, es zu entziffern, das sah sie ein, aber Papier war einfach zu kostbar.
»Das Schönste für mich ist, dass Johann nun jeden Mittag nach Hause kommt und abends vor Einbruch der Dunkelheit bei mir ist. Er plant, ein weiteres Zimmer anzubauen, und hat bereits ein paar Bäume gefällt, die noch trocknen. Mzilikazi hat anstrengende Tage damit verbracht, Ziegel aus dem lehmigen Schlamm des Wasserlochs zu formen. Eimer für Eimer musste er die nasse, schwere Erde aus dem Tal heraufschleppen. Wie 610
hat er gestöhnt und gejammert! Nun trocknen die Ziegel in langen Reihen in der Sonne.«
Ein leises Geräusch störte sie. Sie hielt inne mit Schreiben und hob den Kopf. Jikijiki stand im Kücheneingang, sie hielt ihren Blick gesenkt, Tränen strömten ihr aus den Augen.
»Katheni«, flüsterte sie.
Catherine sprang auf. »Was ist passiert, Jikijiki, sag's mir.« Sie legte den Arm um die Schulter der schönen Zulu.
Diese schmiegte sich für einen winzigen Augenblick fest an sie, dann löste sie sich. Wie Glasperlen hingen die Tränentropfen an ihren Wimpern.
»Heute wird es das letzte Mal sein, dass wir uns sehen. Ich bin gekommen, um für immer zu gehen.«
»Jikijiki, warum?«
»Mein Vater hat mich König Mpande für sein Isigodlo versprochen.«
»Was heißt das? Was ist ein Isigodlo?«
Jikijiki hielt ihren Kopf noch immer gesenkt. »Es ist der streng bewachte, private Teil des königlichen Umuzi, wo sich seine Unterkunft befindet. Die Hütten seiner Ehefrauen stehen dort und auch die der Ndlunkulu, der Mädchen des Königs. Nie wieder werde ich vor meinem Vater knien und ihm das Essen darbieten, nie werde ich Licht in seine Hütte bringen. Für meine Eltern und Geschwister werde ich aufhören zu existieren. Ich werde aus ihrem Leben gehen und sie nie wiedersehen.«
Erst jetzt bemerkte Catherine, dass das Perlband, das verkündete, dass das junge Mädchen Mzilikazi versprochen war, fehlte. »Und Mzilikazi?«
Jikijiki warf die Hände hoch und konnte nur den Kopf schütteln, während erneutes Schluchzen ihren zarten Körper erbeben ließ.
»O meine arme Kleine«, murmelte Catherine auf Deutsch, legte ihr die Hand an die Wange und wischte sanft die Tränen weg. »Gibt es nichts, was du tun kannst? Musst du dich fügen?«, fragte sie auf Zulu.
Wieder nickte das Mädchen. »Ich werde nur dem König gehören.«
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Catherine war tief betroffen. »Was ... was werden deine Pflichten sein?«
Würde sie in einer Art Harem leben?
»Wir Mädchen des Isigodlo sorgen für den König.« Mehr sagte sie dazu nicht, doch ihre Augen waren die einer weidwunden Gazelle.
Ihr Anblick drehte Catherine das Herz um.
»Wann wirst du gehen müssen?«
»Wenn der Mond voll ist, genau zu der Zeit, wenn sich die Hörner der Rinder gegen den frühen Morgenhimmel abzeichnen, werde ich mein Gesicht und meinen Körper mit süß duftenden Salben aus Kräutern und Hippopotamusfett einreiben, und mit vier anderen Mädchen, die auch für das Isigodlo vorgesehen sind, werde ich mich auf den Weg zum König machen. Wir werden alles, was wir
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