10 SCIENCE FICTION KRIMINAL-STORIES
erfahren.«
»Und wie heißt er?«
»Landru. Sagt Ihnen nichts?«
»Nein.«
Kyan schritt zur nächsten Tür.
»Der goldene Sessel«, fragte Dr. Mecklan, »warum steht er hier?«
Kyan drehte sich um. Plötzlich ging er schnellen Schrittes zu dem Stuhl und warf ihn um. Dann deutete er zur Decke. »Sehen Sie den Ring? Und die Schnur mit der Schlinge, die durch den Ring gezogen ist? Da hat sich mein Großvater aufgehängt. Ich habe noch ausdrücklich dem Personal befohlen, alles so stehenzulassen, wie es war. Ich weiß nicht, wer den Stuhl wieder aufgestellt hat. Auch er soll liegenbleiben, wie ihn mein Großvater umgeworfen hat.«
Der Psychiater schwieg beeindruckt. »Kommen Sie«, forderte Kyan ihn auf. Sie gelangten in einen langen, schmalen Gang, an dessen einer Wand schwere Gemälde hingen. Die andere Seite des Ganges war leer, bis auf einen Bilderrahmen, der einsam in der Mitte hing.
»Die Ahnengalerie«, erklärte Kyan.
Sie blieben vor dem ersten Bild stehen.
»Dies ist der erste Kyan, der die damals neu eingeführte Behandlung erhalten hat.«
Kyan sah den Psychiater an.
»Für ihn war es besonders schwer. Er hat nämlich erst im Alter von zwanzig Jahren die Behandlung bekommen. Er war überhaupt der erste Mensch, der trotz der Adrenalinregelung versuchte, jemanden umzubringen.«
»Ich dachte, der erste, der überhaupt darangegangen ist, der Behandlung zu trotzen, hieß Meillans?« Kyan lächelte. »Hieß er auch, und leider ging er mit diesem Namen in die Geschichte ein. Aber so war es damals … Wenn Sie sich erinnern können, so hieß auch ein an der Behandlung maßgeblich Beteiligter Meillans. An ihm wurde der erste Mordversuch ausgeführt. Da ließ der Mörder seinen Namen auf Kyan umändern. Verständlicherweise schämte er sich für seinen alten. Auch mir ist die Erwähnung peinlich, aber – ich kann mich ja auf Ihre Diskretion verlassen, Doktor.« Im stillen mußte er lächeln. Der Psychiater würde bestimmt nichts weitererzählen können.
»Der erste Kyan hat übrigens einen Mord mit achtundfünfzig Prozent zustande gebracht. Für ihn, der als Pionier einer neuen Epoche anzusehen ist, auf jeden Fall eine hervorragende Leistung.«
Kyan wies auf das nächste Bild.
»Dieser da ist nicht bedeutend.«
Sie gingen gemächlich weiter. Dr. Mecklan folgte Kyan auf dem Fuß. »Die nächste Zeit ereignete sich nichts Aufregendes in unserer Familie. Es war zwar schon zur Sitte geworden, immer ein Mitglied der Familie wenigstens als Mörder zu sehen, aber die Leute waren nie richtig bei der Sache, und es gelangen ihnen nur durchschnittliche Leistungen.«
»Hier lese ich ›Aldraz Kyan‹«, warf der Psychiater ein. »Mir ist, als habe ich diesen Namen schon einmal gehört.«
»Das glaube ich Ihnen gerne. Von hier an ging es nämlich mit unserer Familie wieder aufwärts. Aldraz kam damals der Achtzig-Prozent-Grenze ziemlich nahe. Er heimste viele Ehren ein und brachte unseren Namen, den man wieder zu vergessen im Begriffe war, in aller Munde.«
Dr. Mecklan betrachtete interessiert das Bild.
»Danach kam Sylvi«, fuhr Kyan fort. »Man erzählt sich sagenhafte Dinge von ihr.«
»Sylvi Misui?«
»Ja. Alban – Sie sehen ihn neben ihr abgebildet – hat ihre außergewöhnliche Begabung entdeckt. Sie war Dienstmädchen bei uns. Nach Albans Aufzeichnungen war er einmal zufällig in die Küche gekommen und hatte gehört, wie ein Hausangestellter ihr unzüchtige Anträge machte. Plötzlich hatte Sylvi ein Messer in der Hand gehalten und den ver ängstigten Mann davongejagt. Alban schwor in seinen Berichten, daß Sylvi ohne weiteres in der Lage gewesen wäre, diesen Mann umzubringen. Aber als er sie später zur Rede stellte, sagte sie,
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