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1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg

1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg

Titel: 1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Jakob Weiher
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nicht. Es war aber auch die Art und Weise, wie Monica diese Geschichten erzählte. Sie war so ergriffen und gefestigt von „ihrem“ Jakobsweg. Er schien ihr Leben zu sein, dachte ich und genau in diesem Moment sah sie zu mir auf.
    „Ich liebe den Camino“, sagte sie und ihre Augen waren dabei so tief und dunkel, wie ich sie bis dahin nicht gesehen hatte, „und ich liebe den Apostel Santiago. Er ist mein Freund.“
    Einen Moment lang saß ich mit geöffnetem Mund vor ihr. So einem beeindruckenden Menschen war ich bisher nicht begegnet.
    „Komm, wir müssen weiter. Sonst gibt es für uns kein freies Bett mehr im Refugio.“ Sie hatte Recht. Es war mittlerweile nach zwanzig Uhr und so machten wir uns auf in die Stadt Logroño.
    In der ersten Herberge fanden wir auch schon unser Nachtquartier. Die Herbergsdame war eine Französin und sie machte einen recht strengen Eindruck. Die Herberge selbst, in der Altstadt von Logroño, war sehr sauber und ordentlich geführt. Im Garten gab es ein kleines rundes Wasserbecken, an das man sich setzen und seine Füße kühlen konnte.
    Als wir uns aufmachten noch ein kleines Pilgermenü zu ergattern, und an diesem Becken vorbeikamen, entdeckten wir den Belgier mit dem russischen Akzent, den wir das erste Mal in Artieda getroffen hatten. Er war mittlerweile alleine unterwegs. Seine Gruppe hatte sich aufgelöst. Einer von ihnen hatte wegen körperlichen Beschwerden aufgegeben und der andere, der aus der belgischen Legion, war so schnell unterwegs, dass er ihn hatte ziehen lassen. Rüdiger, dessen Name meiner Meinung nach weder zu einem Belgier noch zu russischem Akzent passte, hatte seit zwei Tagen schon Schwierigkeiten mit seinen Füßen und deshalb die letzten Tagesetappen kürzer gehalten. Das kühle Fußbad genoss er so offensichtlich, dass wir ihn erst gar nicht fragten, ob er mit uns in die Stadt gehen wollte.
    Unseren letzten gemeinsamen Abend verbrachten Monica und ich in einem gemütlichen, kleinen Restaurant. Zum Abschluss gab es noch einmal diesen spanischen Likör, dessen Namen ich mir nicht merken konnte. Wir stießen damit an und wünschten uns gegenseitig einen „Buen Camino“.
    Wieder zurück in der Herberge hatten wir dann keine Zeit mehr uns am Wasserbecken auszuruhen, denn die Herbergsmutter stand am Eingang und kontrollierte die Ankömmlinge. Sie schaute streng auf die Uhr und meinte, in zwanzig Minuten würde sie hier dicht machen. Während wir in den Schlafsaal kamen, herrschte ein wildes Gewusel. Etwa fünfzig Pilger machten sich fertig für die Nacht. Monica schlief wieder über mir und unsere Betten standen direkt an der Tür. Permanent stupste uns jemand im Vorbeigehen ins Bett, weil der Gang so eng war.
    Monica war vor mir fertig und schaute sich nun von oben meine Versuche an, mich bettfertig zu machen. Als ich das dritte Mal von einer diesmal recht korpulenten, älteren Dame in mein Bett geschupst wurde, und ich dies mit leisem vor-mich-hin-fluchen quittierte, fing sie an zu lachen. Und das sollte nicht mehr aufhören.
    Nachdem dann auch noch Punkt zehn Uhr das Licht ausging und ich nun im fast Dunkeln stand und wieder fluchte, wurde ihr Lachen lauter und sie kam nicht mehr aus der Nummer raus. Mitten in dem Saal voller Pilger, die jetzt eigentlich schlafen wollten, kicherte und lachte Monica immer wieder auf. Wenn sie sich ein wenig eingekriegt hatte und sich zu mir herunter lehnte, um mir gute Nacht zu sagen, warf ich ihr einen genervten Blick zu und sie prustete wieder los.
    Mit Monicas Lachen in den Ohren schlief ich an diesem Abend ein.
     

Tag 11
     
    Logroño / Navarrete / Nájera
     
    Punkt Sechs Uhr ging das Licht an. Räuspern, Husten und Knurren drangen an mein Ohr. Was für ein akustischer Unterschied zu gestern Abend. Die Betten uns gegenüber waren schon leer und so war das Aufräumen und Einpacken etwas komfortabler als gestern. Monica grinste nicht mehr. Das tat sie morgens nie. Ihr Gesichtsausdruck mahnte eher „lass mich in Ruhe“.
    Kurz vor sieben verließen wir gemeinsam die Herberge. Die Altstadt von Logroño war dunkel und menschenleer. Monica wollte mich noch aus der Stadt begleiten. Ihr Zug ging erst am Nachmittag, also hatte sie noch viel Zeit. Sie fand für uns ein kleines Frühstücksrestaurant. Wir setzten uns in eine Ecke und genossen Rührei mit Schinken und einen guten Café con Leche. Das Restaurant selbst war besucht von Nachtschwärmern, die ganz offensichtlich nach einer durchzechten Nacht hier noch eine Stärkung

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