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1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg

1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg

Titel: 1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Jakob Weiher
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„Camino Santiago“ brachte mich zum Lachen. Ich erinnerte mich an die Geschichte, die mir Monica gestern auch erzählt hatte. Auf einer ihrer Reisen auf dem Camino hatte sie ein spanisches Pärchen kennen gelernt. Die beiden jungen Pilger waren auf Hochzeitsreise. Sie hatten sich vor genau drei Jahren hier auf dem Jakobsweg kennen gelernt. Sie gingen den Rest des Weges zusammen bis nach Santiago de Compostela und heirateten vier Wochen später. Und nun der Knaller! Ihre Namen. Sie heißt mit Nachnamen Camino und er heißt mit Vornamen Santiago. Und so stellen sie sich auch jedem vor.
    „Gestatten? Camino und Santiago.“ Unter Pilgern ein Brüller. Und wer die Geschichte kennt und sich vorstellt, wie herzergreifend und urkomisch diese Geschichte ist, der kann erahnen wie es auf dem Weg zugeht.
    So ernsthaft, mit Tiefgang, schön und romantisch und gleichzeitig mit einer Komik und Humor — so müsste eigentlich das ganze Leben sein.
    Ich erinnerte mich, was Monica und ich Tränen gelacht hatten, als sie mir diese Geschichte erzählt hatte und ich immer wieder „Camino und Santiago“ wiederholte. Überall auf dem Weg stehen Schilder mit ihren Namen.
    Nachdem ich mich wieder beruhigt hatte, erinnerte ich mich, dass Sonntag war. Und wie schon letzte Woche hatte ich mir vorgestellt, was die Familie und Freunde wohl gerade zu Hause machten, während ich hier durch Spanien wanderte. Mir kam in den Kopf, dass heute ein Formel-1 Rennen stattfand. Ich bin ein Fan seit über fünfzehn Jahren und verpasse eigentlich kein Rennen. Dieses würde ich wohl verpassen.
    „Schade“, dachte ich mir, „aber dafür genehmige ich mir im nächsten Ort ein großes Glas Cerveza con Limón, ein großes, kaltes Glas Bier mit Limonade.“ Als ich eine Stunde später einen Ort erreichte, steuerte ich schnurstracks auf eine Kneipe mit großem Coca-Cola Schild zu. In freudiger Erwartung einer kühlen Erfrischung näherte ich mich der Kneipe und vernahm mir bekannte Geräusche. Meine Schritte wurden schneller und als ich den kleinen Gastraum betrat, war der leer. Nur zwei ältere Männer saßen am Tresen und auf dem supermodernen, übergroßen Flachbildschirm drehten die Formel-1 Renner ihre Runden - live! Ich suchte mir den besten Platz und war für etwa eine knappe Stunde kein wahrer Pilger mehr.
    Es war mir ja am Anfang meines Weges immer mal passiert, dass ich dachte mein Tagesziel schon erreicht zu haben, und musste dann aber doch noch ein gutes Stück weiter. Beim intensiven Wandern mit meinen Freunden die letzten Tage war das natürlich nicht passiert. Heute hatte ich, wie schon erwähnt, nicht einmal in die Wegplanung geschaut, sondern war nur den Schildern von Camino und Santiago gefolgt. Ich war nun in einem größeren Ort angekommen und sah einen Fahrradpilger an einem kleinen Geschäft stehen. Er hatte sich gerade mit Obst eingedeckt. Ich fragte ihn, wo wir hier sind.
    „Nájera“, war seine Antwort. Ich war dreißig Kilometer gewandert und hatte mein heutiges Ziel erreicht, ohne es zu merken.
     

Tag 12
     
    Nájera / Santo Domingo de la Calzada
     
    Die Pilgerherberge in Nájera lag sehr schön direkt an einem Fluss. Ich hatte mich entschlossen, meine Fotos und Filme zu sortieren und die Akkus aufzuladen.
    Also hatte ich mir wieder einmal den Luxus eines kleinen Hostals mit eigenem Zimmer und Bad gegönnt. Als ich früh am Morgen noch leicht verschlafen die Türe zur Straße öffnete, blickte ich in die dunklen Augen eines großen Esels. Panikartig schloss ich die Tür wieder und fragte mich einen Moment, ob ich doch noch schlummernd in meinem Bett lag. Zwei Minuten später öffnete ich die Tür wieder und der Esel war immer noch da — neben ihm stand nun ein Polizist. Der Esel sah nicht freundlich aus und der Polizist auch nicht. Der Gesetzeshüter versuchte den entlaufenen Esel etwas abzudrängen und so huschte ich auf die Straße. Ok — wach war ich jetzt.
    Bei strahlendem Sonnenschein führte mich mein Weg in eine Landschaft, in der die Weinberge weniger wurden und mehr Kornfelder in Sicht kamen. Diese Gegend, in die ich mich nun aufmachte, hieß Tierra de Campos und wurde auch die Kornkammer Spaniens genannt. Kurz hinter Nájera lief ich mitten in eine Schafherde hinein und erinnerte mich lachend an den Anblick der dunklen Augen des Esels von heute Morgen.
    Meine heutige Etappe war meinem Reiseführer nach nur knapp über zwanzig Kilometer lang, also ließ ich mir etwas Zeit beim wandern. In Azofra, einem kleinen Ort

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