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1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg

1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg

Titel: 1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Jakob Weiher
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erreichte ich ein kleines Dorf namens Campo, dass ich über eine mittelalterliche Bogenbrücke erreichte. Das langsam fließende Wasser des kleinen Flusses war glasklar. Neben der Brücke auf einer kleinen Wiese erblickte ich drei junge Frauen, die dort in Bikinis die Sonne anbeteten. Ich stützte mich auf den Rand der Brücke und auf die Gefahr hin, als spannender Pilgerbruder entlarvt zu werden, beobachtete ich die Szene eine Weile.

    Das sah sooo schön und gemütlich aus, und in einem normalen Urlaub hätte ich mich sicher dazu gelegt. Aber ich spürte, dass ich in meinem momentanen Leben auf dem Jakobsweg nicht auf diese Wiese gehört hätte.
    Also ging ich weiter und erreichte die Stadt Ponferrada, in der ich eine wunderschöne Herberge fand. Der Innenhof war ein großer Garten, es gab einem kleinen Pool für die Füße und eine hauseigene kleinen Kapelle. Bekannte Gesichter entdeckte ich nicht, und so schlenderte ich nach Dusche und Klamottenwechsel mit meinen Schlappen Richtung Innenstadt.
    Hier stand das ab dem elften Jahrhundert erbaute „Castillo del Temple“, eine fast achttausend Quadratmeter große Burg der Tempelritter. Im Buch von Paolo Coelho wird berichtet, dass auf der Pilgerreise in dieser Burg in der Nacht ein mystisches Ritual abgehalten wurde, und ich war schon sehr neugierig auf das Innere der Burg. Meine Neugierde sollte aber unbefriedigt bleiben, denn einen Tag in der Woche ist die Burg geschlossen, nämlich montags. Und da gestern Sonntag gewesen war, beschränkte ich mich darauf, die Burg in einem langen Spaziergang von außen zu besichtigen, bevor es dann wieder Zeit wurde, mein Nachtlager aufzusuchen. Allerdings ruhte ich mich und meine Füße noch am Rand des Wasserbeckens aus.
    Ich kam ins Gespräch mit einem drahtigen, älteren Herrn aus Belgien, der mir des Öfteren schon aufgefallen war. Er hatte auf dem Weg ein Tempo drauf, dass unwahrscheinlich war. Er hatte mich mindestens schon fünfmal überholt und jedes Mal kam ich mir vor, als stünde ich auf dem Weg. Einmal hatte er vor mir sein Tempo gedrosselt, um kurz mit einer Frau zu reden. Das Drosseln seines Tempos und das nachher wieder auf seinen Rhythmus beschleunigen konnte ich richtig sehen. Er war mir auch aufgefallen, weil er oft mit gutaussehenden Pilgerfrauen zusammen saß. Er war zweiundsechzig Jahre alt, hatte schneeweißes Haar, braungebrannte Haut und er war in Brüssel gestartet.
    „Die spinnen doch, die Belgier“, dachte ich kopfschüttelnd, als ich mein Bett aufsuchte.
     

Tag 27
     
    Ponferrada / Villafranca del Bierzo / Trabadelo
     
    Der Weg führte mich langsam aus der Stadt heraus und es war wie immer, wenn wieder äußere Ruhe einkehrte, folgte die innere Ruhe sofort. Der Wetterbericht fiel wieder einmal hervorragend aus, wie eigentlich jeden Tag der letzten Wochen. Auf einem Platz führte der Weg vorbei an einer kleinen Kapelle, vor der eine weiße Steinfigur eine mit Blumen geschmückte Madonna darstellte.
    Ich schaute sie an und murmelte spontan so etwas wie ein Gebet. Währenddessen kam ein großer breiter Mann mit schweren Schritten um die Ecke und betrachtete im Vorbeigehen die Steinfigur. Er sagte etwas in einer skandinavischen Sprache und zuerst dachte ich, er führt Selbstgespräche, doch dann bog eine kleine zierliche Frau um die Ecke. Er sprach weiter und sie gab Laute von sich wie „aha“ oder „soso“.
    Ich stand immer noch vor der Madonna, von der ich mich nach diesem Zwischenspiel verabschiedete. Der Weg führte in eine Allee, vorbei an einem Friedhof und der große Skandinavier redete in einer Tour und deutete über die kleine Mauer hinweg auf die Gräber. Seine Begleiterin murmelte „aha“ und „soso“. Als ich selbst an die Mauer kam, bemerkte ich, dass sie wohl doch nicht so klein war, denn ich konnte nur eben so drüber schauen.
    Der Kerl vor mir war ein Riese. Sein Rucksack schien so winzig auf seinen breiten Schultern zu sitzen. Das Markanteste an ihm war aber sein Pilgerstab. Er war, wie sein Träger, riesig. Der Stock sah aus wie ein kleiner Baumstamm, den der Riese einfach aus dem Boden gerissen hatte, denn am unteren Ende hingen wirklich noch einige kleine Wurzeln.
    Nun hatte er meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Er schritt breitbeinig voran, wechselte ständig die Wegseite und schaute sich alles rechts und links des Weges an, um es pausenlos zu kommentieren.
    So stellte ich mir einen Wikinger vor. Nur, was machte der hier auf dem Jakobsweg? Schaute er sich als eine Art

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