1002 - Höllenqualen
hatte.
Furchtbar. Nicht zufassen. Ichhatte mitansehen müssen, wie meine Eltern umgebracht worden waren. So etwas wollte mir nicht in den Kopf, ich war durcheinander. Angst, daß es tatsächlich passiert war und die Hoffnung, daß es nur eine Halluzination gewesen war, hielten sich bei mir die Waage.
Das Bild war längst verschwunden. Kein Friedhof mehr. Kein Blut, keine Toten.
Ich glitt durch den Nebel der Zeit, denn anders konnte ich es nicht ausdrücken. Ich war nicht mehr Herr meiner Kräfte, jemand anderer hatte die Kontrolle über mich bekommen, und es würde mir auch kaum gelingen, mich davon zu befreien.
Wegfliegen. Alles anders werden lassen. Nie mehr zurückkommen. All das durchwehte meinen Kopf, aber ich wußte zugleich, daß ich selbst nichts daran ändern konnte.
Hinzu kam die Furcht vor dem Unbekannten. Ebenfalls die Angst, alles falsch gemacht zu haben. Ich hätte mich um andere Dinge kümmern können, nicht eben um die Bundeslade, deren Geheimnis bisher noch kein Mensch gelöst hatte.
Warum ausgerechnet ich?
Je länger ich unterwegs war, um so größer wurden die Zweifel an meiner eigenen Aufgabe. Es gab ein Ziel, auch ein greifbares, denn da dachte ich an die Stadt Aksum, in der die Lade in einer kleinen Kapelle versteckt worden war und bewacht wurde. Oder nicht mehr? Vielleicht war es den Killern, die auch Angares getötet hatten, gelungen, andere Wächter ebenfalls umzubringen.
Es wäre sogar ein Motiv gewesen. Aber keines, um meine Eltern zu töten. Das war einfach sinnlos gewesen. So dachte ich, und ich würde auch nie anders denken.
Der Gedanke an sie und ihren Tod ließ mich einfach nicht los. Ich fühltemich sogar auf eine gewisse Art und Weise mitschuldig.
Gleichzeitig war auch eine körperliche Mattheit bei mir vorhanden. In einem derartigen Zustand hätte mich sogar ein Kleinkind besiegen können.
Auf der anderen Seite war es wichtig, bei Kräften zu bleiben. Mir war durchaus bewußt, daß ich sie noch brauchen würde, um mein Leben zu verteidigen.
Nichts lief in der Existenz eines Menschen glatt, wenn man sich in einer Lage befand wie ich. Es hatte immer wieder mit Kampf zu tun, mit gefährlichen Auseinandersetzungen, die ich bisher noch als Sieger hatte verlassen können.
Das Rad bewegte sich noch immer. Meine Augen standen offen.
Ich wollte wieder sehen, aber ich trieb durch eine nebelhafte Gegend, in der sich die einzelnen Fahnen zu Spiralen zusammendrehten und sehr schnell neue und abwechselnde Figuren bildeten.
Wie lange noch?
Wie lange drehte sich das Rad?
Würde es irgendwann stoppen oder gestoppt werden? Wer konnte dafür sorgen? Vielleicht derjenige, der in Aibon zurückgeblieben war und es auch angeworfen hatte?
Nein, der Rote Ryan war kein Helfer mehr. Ich befand mich im Netz einer anderen Macht, die den Namen Schicksal verdiente und mich auf ihren Weg gedrückt hatte.
Auch das neue Schwert gab mir keine neue Kraft. Gut, es befand sich in meinem Besitz, aber ob ich mit ihm umgehen konnte, mußte sich noch erst herausstellen.
Ein Gefühl für Zeit gab es bei mir schon lange nicht mehr. Ich trieb nur dahin und achtete wieder darauf, ob sich neue Bilder aus der Ebene der Vergangenheit lösten.
Szenen, die ich möglicherweise kannte, da brauchte ich nur an Hectorde Valois zu denken und an Richard Löwenherz, zwei Personen, die ich auch einmal gewesen war.
Aber es gab noch eine.
Salomo!
Ich war einmal Salomo gewesen. Das wußte ich, und wahrscheinlich hatte ich auch deshalb nur das Schwert bekommen, so wie sich das Kreuz einmal im Besitz des Richard Löwenherz befunden hatte und auch in dem des Hector de Valois.
Die graue Suppe um mich herum lichtete sich. Dünnere Schwaden bildeten ein weicheres Muster, das auch schon Risse aufwies, in oder hinter denen ich trotzdem nichts erkennen konnte.
Plötzlich traf mich der Schlag.
Es war ein Hieb aus dem Unsichtbaren heraus. Ich hörte mich vor Überraschung selbst schreien, fiel nach vorn und spürte im nächsten Augenblick den Widerstand unter Händen und Knien.
Harte Erde!
Ich war benommen. In meinem Kopf hatte sich die Watte verteilt.
Sie hinderte mich daran, etwas zu denken, und ich senkte das Gesicht dem Boden entgegen, um dort etwas erkennen zu können.
Heller Fels oder helle Steine. Staub lag in der Luft. Auf einmal wurde mir bewußt, wie warm es in meiner Umgebung war. Trotzdem bekam ich eine kalte Haut, denn die Wärme paßte nicht zu der Jahreszeit, in der ich die Reise angetreten hatte.
Ich war
Weitere Kostenlose Bücher