1003 - Die Templer-Säule
und auch mich hatte dieses Gefühl überkommen. So umarmten wir uns beide.
Mir kam es noch immer einem Wunder gleich, daß ich in der Vergangenheit existierte und tatsächlich den weisen König Salomo umarmte. Ich spürte seinen Körper, die menschliche Nähe, und wieder überkam mich der Schauder.
Dann hörte ich ihn sprechen. »Deine Gedanken werden nahe an die meinen herankommen, und ich weiß auch, daß es viele Fragen gibt. Aber sollten wir Menschen sie nicht so lassen? Ist es wichtig, auf alles eine Antwort zu finden?«
»Nein, nicht immer.«
»Das meine ich auch.« Wir lösten uns voneinander. »So hat sich in den Zeiten nicht viel geändert. Es wird wohl immer Menschen geben, die Fragen stellen und Antworten erhalten werden.«
»Nur bis zu einer gewissen Mauer. Auch die wird es stets geben, und der Mensch wird einfach zu schwach sein, um sie zu überklettern. Aber darüber sollten wir nicht reden. Es gibt andere Dinge, wichtigere, auch für mich, Salomo.«
»Das weiß ich, mein Freund.«
Ich lächelte, als ich mich setzte. Auch Salomo hatte seinen Platz wieder eingenommen. »Sicherlich möchtest du von mir Aufklärung über meine Zeit haben.«
»Ich gebe es zu.«
Er strich mit beiden Händen über die Falten seines Gewandes, um sie zu glätten. Dann sagte er: »Ich will dich nicht fragen, wie du es geschafft hast, zu mir zu kommen, ich möchte nur, daß du ehrlich bist und mir den Grund nennst. Bist du nur hier, um mich endlich einmal sehen zu können?«
»Nein, das nicht.«
»Dann warte ich auf deine Antwort.«
Jetzt kam ich nicht mehr daran vorbei. Irgendwo war ich froh, die Wahrheit sagen zu können, aber ich wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen und sprach davon, daß es in meiner Zeit einen Glauben gab, der auf Begebenheiten aufbaute, die mit dem Volk der Israeliten in einem direkten Zusammenhang standen. Ich sprach nicht vom Neuen Testament, auch nicht von der Zeitenwende, aber von einem sagenumwobenen König Salomo, der jetzt vor mir saß.
»Man kennt mich noch?« fragte er.
»Du bist nicht vergessen worden. Der Bau deines Tempels und auch der Besuch der Königin von Saba ist in die Geschichte der Menschheit eingegangen.«
Als er den Namen der Königin hörte, da hatte es für einen Moment in seinen Augen aufgeblitzt. »Du kennst sie?«
»Sie ist ebenfalls berühmt geworden.«
»Ja, sie hat mich besucht, und sie ist aus dem Süden gekommen. Von sehr weit her.«
»Sie blieb auch bei dir.«
»Das stimmt. An meinen Hof. Mit ihrem Gefolge.«
Wie nebenbei fragte ich, obwohl ich unter Spannung stand. »Und ihr habt nebenbei auch Kinder gezeugt?«
Für einen Moment kam es mir vor, etwas Falsches gesagt zu haben, denn Salomo machte auf mich den Eindruck, als wollte er in die Höhe springen, aber er riß sich zusammen, blieb sitzen und ballte die Hände zu Fäusten. »Das weiß man in deiner Zeit?«
»Ja.«
»Warum weiß man das?«
Ich hob die Schultern. »Es ist vieles gefunden worden. Dabei sollten wir es belassen, nur hätte ich gern eine Antwort auf meine Frage, denn es ist wichtig.«
Der König überlegte eine Weile. Er schaute dabei an mir vorbei.
Wenn ich mich nicht sehr irrte, hatte sein Blick einen träumerischen Ausdruck bekommen. »Sie war eine wunderschöne Frau. Wir haben ein Kind gezeugt, das stimmt.«
»Es heißt Menelik?«
»Auch den Namen kennst du?«
»Nimm es hin, Salomo.«
»Das werde ich, John. – Ja Menelik. Er wurde nicht hier geboren, denn die Königin reiste zurück und gebar ihn in ihrer Heimat. Aber er kehrte später zu mir zurück und erfreute sich an meiner Gunst. Nicht alle sahen es als gut an. Neid kam auf, und so setzten mir die Hohepriester zu, Menelik wieder in die Heimat zurückzuschicken. Ich kam ihren Wünschen nach, denn ich wollte keine Feindschaft, und so ließ ich ihn ziehen.«
»Du hast aber eine Bedingung gestellt, wie ich hörte.«
»Ja, nicht nur er sollte gehen, auch die ältesten Söhne der Hohepriester. Als König konnte ich es durchsetzen, und so ist es dann auch geschehen.«
»War auch ein Mann mit dem Namen Azarius dabei?«
Salomo erstarrte. »Du kennst auch ihn?«
»Ich habe von ihm gehört.«
»Und was weißt du noch?« flüsterte er mir zu.
»Nicht viel mehr.«
Wieder schaute er mich so starr an. »Nein, das stimmt nicht. Das ist nicht wahr. Du verschweigst mir etwas, John…«
»Ich kann dir wirklich nichts sagen. Aber es hat diesen Azarius gegeben.«
»Ich will nichts mehr von ihm hören.«
»Warum nicht? Hat
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