1070 - Marens kleiner Horror-Laden
sie quälen, und ich wollte eine Antwort darauf haben.
»Bitte, was ist los mit Ihnen, Maren? Sie müssen es mir sagen. Ich könnte Ihnen vielleicht helfen.«
Ohne ihren Kopf zu drehen, gab sie die Antwort. »Ich spüre ihn, John, ich spüre ihn genau.«
»Wen spüren Sie?«
»Na, ihn!«
»Die Kreatur?«
»Ja, ja!« stieß sie hervor. »Ich spüre die verdammte Kreatur. Sie ist nicht weit weg, John, nicht weit weg.« Plötzlich drehte sie den Kopf und starrte mich an. »Sie ist hier, verdammt! Sie… sie ist hier im Flugzeug…!«
***
Ich sagte zunächst einmal nichts und blieb dabei sehr ruhig. Selbst mein Atmen war nicht zu hören, während Maren eine Gänsehaut bekommen hatte. Wieder machte sie einen so starren Eindruck. Steifer als sie hätte auch eine Tote nicht neben mir sitzen können. Sie mußte unter einem wahnsinnigen Streß stehen.
»Tut mir leid«, sagte ich, »aber ich sehe nichts. Sie haben es sich eingebildet.«
»Nein, habe ich nicht.« Sie krampfte ihre Fäuste noch härter zusammen.
»Er hat mich verfolgt. Er kann mich verfolgen. Er will etwas von mir.«
»Was könnte er denn von Ihnen wollen?«
»Meine Seele vielleicht.«
»Warten Sie ab, das ist…«
»Glauben Sie mir, John, er ist hier!« Den Satz stieß sie knurrend hervor.
Ich war noch nicht überzeugt. »Setzen wir mal den Fall, er wäre tatsächlich hier, dann frage ich mich, warum ihn nicht die anderen gesehen haben und nur Sie.«
»Das weiß ich nicht. Ich habe ihn auch nicht gesehen. Ich spüre nur seine Nähe.«
»Wie läuft das ab?«
»O Himmel, was stellen Sie für Fragen. Egal, Sie können es nicht wissen. Es ist der Druck, es ist das Wissen in meinem Kopf. Er liegt auf der Lauer. Er hat mich verfolgt, und das habe ich schon in London erlebt. Er kann überall hinkommen. Für ihn gibt es keine Grenzen. Wie oft soll ich es noch sagen?«
»Okay, dann warten wir ab.«
Diesmal hatte sie kein Gegenargument parat. Ich war auch jemand, der ihre Aussagen nicht als Einbildung abtat, sondern genau wußte, daß mehr dahintersteckte. Ich kannte die Menschen, die unter seelischem Druck standen und Erlebnisse zu verkraften hatten, die an den Rand des Begreifens gingen. Zuviel war mir schon in meinem Job untergekommen, und auch die Kontakte einer anderen, dämonischen Welt oder Dimension hatte es schon mehr als genug gegeben. Unter anderem auch bei mir, denn auch meine Feinde - der Teufel inklusive - hatten auf diese unkonventionelle Art und Weise eine Verbindung hergestellt.
Deshalb wollte ich wissen, ob meine Nachbarin das gleiche erlebte. »Hat er Kontakt zu Ihnen, Maren? Hören Sie seine Stimme in Ihrem Kopf? Will er Ihnen etwas sagen? Ist er ein Telepath?«
Sie öffnete ihren Mund. Es dauerte noch, bis sie eine Antwort geben konnte. »Nein, das ist es nicht. Er spricht auch nicht zu mir, aber ich weiß, daß er sich in der Nähe aufhält.«
»Woher?«
»Mein Gefühl. Da ist etwas Böses, und das ist wie ein Strom, der durch mich hindurchläuft. Esüberschwemmtmich. Es… es … sind Gefühle, die ich Ihnen nicht beschreiben kann, und…«
»Ist es Ihrer Begleiterin nicht gut?« Die Stimme der Stewardeß, die vorgebeugt und besorgt im Mittelgang stand, riß uns aus unserer Unterhaltung.
Ich schaute kurz hoch. »Nein, es ist fast alles in Ordnung. Maren fliegt nicht so gern.«
»Das ist schade. Ich könnte…«
»Danke für Ihre Mühe, aber wir kommen schon zurecht.«
»Gut. Doch wenn es sich verschlimmert, dann sagen Sie mir bitte Bescheid.«
»Werden wir tun.«
Nach einem skeptischen Blick auf Maren Black ging die Frau weiter. Ich bekam mit, wie meine Begleiterin den Kopf schüttelte.
»Was ist passiert?«
Maren lächelte knapp. »Nicht viel oder sehr viel. Die Stimme der Stewardeß hat dafür gesorgt, daß die Verbindung abriß.« Sie atmete tief durch.
»Jetzt ist wieder alles normal.«
»Sie haben keinen Kontakt mehr?«
»Richtig.«
Ich streichelte ihre Hände und sah darauf die Gänsehaut. Dann gab ich ihr meine Papierserviette, mit der sie sich den Schweiß aus dem Gesicht wischen konnte. »Es dauert nicht mehr lange, dann gehen wir schon in den Sinkflug über. Düsseldorf-London ist nur ein Katzensprung.«
»Ja, ich weiß.« Sie knüllte die Serviette zusammen. »Ich fliege die Strecke oft genug. Aber der Kontakt mit ihm war so verdammt intensiv, verstehen Sie?«
»Bestimmt. Aber wie haben Sie ihn erlebt? Können Sie jetzt darüber sprechen?«
»Gesehen habe ich ihn nicht. Nur gehört. Sein Lachen.«
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