1088 - Killer in der Nacht
Nur kann ich es mir rational nicht erklären, weil das andere ja auch nicht rational ist.« Sie ballte die Hände zu Fäusten und schlug damit in die Luft. »Warum sehe ich etwas, was anderen Menschen verborgen bleibt?« In ihren Worten schwang Verzweiflung mit.
»Das hatten Sie nicht immer?«
»Nein. Plötzlich. Nicht in meiner Kindheit, wenn Sie darauf hinauswollen.«
»Und die Opfer der Verbrechen waren Ihnen unbekannt?«
»Ich hatte sie nie zuvor gesehen.«
»Okay, das Rätsel bleibt.«
Brenda griff zum Glas, trank aber noch nicht. »Soll das heißen, daß auch Sie mir nicht helfen können, Mr. Sinclair?«
»Zumindest nicht sofort. Ich kann nicht mit den Fingern schnippen und hopp ist der Mörder da. Nein, das ist leider unmöglich. Wir müssen da schon systematisch vorgehen und von Grund auf.«
»Was heißt das?«
»Es kann an Ihnen liegen, Mrs. Lee.«
»Das sage ich mir auch«, gab sie leise zu. »Aber ich finde einfach keinen Grund.«
»Sie haben über eine große Entfernung hinweg das Atmen oder Keuchen gehört, aber keine Gestalt gesehen.«
»So ist es.«
»Dann ist Ihnen das gleiche widerfahren wie mir.«
Jetzt sah sie aus, als wollte sie aus dem Sessel springen, blieb aber sitzen und starrte mich beinahe entsetzt an. »Nein, Mr. Sinclair, warum sagen Sie das? Wollen Sie mich…«
»Ich will nichts. Ich glaube Ihnen, weil ich das gleiche auch gehört habe.«
»Wo denn? Auch im Traum…?«
»Nein, in dem Haus, in dem Caspar Wayne umgebracht wurde. Aber wie Sie, so habe auch ich keinen Killer gesehen und ebenfalls kein Messer. Ich hörte nur das Atmen.«
Sie starrte mich an. »Dann haben wir es hier mit einem unsichtbaren Killer zu tun. Kann man sich darauf einigen?«
»Zur Not schon.«
»Aber gibt es das denn?« flüsterte sie voller Staunen.
Ich gab ihr eine indirekte Antwort. »Es gibt nichts, was es nicht gibt, Mrs. Lee. Aber lassen Sie uns nicht zu lange theoretisieren. So unglaublich es auch klingen mag, aber es muß eine Verbindung zwischen Ihnen und diesem Killer geben.«
»Welche denn?« schrie sie und erschrak über ihre eigene Heftigkeit. Wesentlich leiser fuhr sie fort.
»Ich habe alles durchgekaut. Ich habe hin und her überlegt, aber ich bin zu keinem Ergebnis gekommen. Ich habe nie mit Mördern zu tun gehabt.«
»Das glaube ich Ihnen gern. Aber wie sieht es mit übersinnlichen Begebenheiten aus?«
Sie räusperte sich. »Meinen Sie Geister oder Spuk?«
»Gut… ja…«
»Nein!« sagte sie zögernd.
»Tatsächlich nicht? Überlegen Sie gut, Mrs. Lee.«
Sie holte wieder tief Atem. »Ja, kann sein. Kann alles sein, daß ich mal damit zu tun hatte.«
»Sie hatten also.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Das merke ich.«
Brenda Lee verzog den Mund. »Es liegt aber schon zurück, und ich weiß nicht, ob es damit zu tun hat.«
»Erzählen Sie es trotzdem.«
Zuvor trank sie das Glas leer. »Wir hatten mal eine Kollegin, die sich mit diesen Dingen beschäftigte. Sie war der Meinung, daß sie ihre Wünsche, all die guten und auch schlechten, durch einen Astralkörper in die Tat umsetzen konnte.«
»Interessant. Wir haben Sie reagiert?«
»Gar nicht.«
»Ich bitte Sie…«
»Nun ja, wir haben sie ausgelacht, was ihr nicht gefiel. Sie meinte, wir würden noch von ihr hören.«
»Wie lange ist das her?«
»Etwas mehr als ein Jahr.«
»Und diese Kollegin ist nicht mehr bei Ihnen?«
»Nein, sie hat gekündigt. Man wollte, daß sie ging. Sie kam auch nicht so gut mit den Kindern zurecht.«
»Ist der Kontakt zwischen Ihnen und dieser Frau danach abgebrochen?« fragte ich.
»Fast.«
»Was heißt das?«
Sie drückte sich etwas vor der Antwort und rückte dann doch damit heraus. »Ich habe sie mal besucht. Nichts Offizielles und auch nicht in ihrer Wohnung. Ich wußte gar nicht, wo sie wohnt. Besser gesagt, sie hat mich besucht. Eben ein Treffen und alten Kolleginnen.«
»Was passierte da?«
Brenda Lee senkte den Blick und knetete ihre Finger. »Tja, was passierte?« wiederholte sie. »Eigentlich war alles normal. Zunächst jedenfalls. Wir unterhielten uns über alte Zeiten, und dann kam sie wieder auf ihr Thema zu sprechen.«
»Den Astralleib.«
»Was sonst?« Brenda hustete. »Ich wollte ja gehen, weil mich das nicht interessierte, aber sie ließ es nicht dazu kommen. Zwar zwang sie mich nicht, bei ihr zu bleiben, aber es kam mir schon so vor. Ich konnte einfach nicht aufstehen, und sie bitten, meine Wohnung zu verlassen. Ich war in ihren Bann geraten. Und was
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