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112 - Der tägliche Wahnsinn

112 - Der tägliche Wahnsinn

Titel: 112 - Der tägliche Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingo Behring
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und die durch die Straßen ziehende Karawane kurz durchwinken, schmeißen sie die Arme in die Luft, rufen: «Um Gottes willen! Tiere! Die armen Kleinen mitten in der Stadt! Die sind ja so hilflos!» – und wählen die 112 . Denn die Feuerwehr ist ja immer dann zuständig, wenn irgendwo «schnell mal was gemacht werden muss», aber keiner mehr weiterweiß. So auch bei Problemen mit tierischen Gefährten in der Stadt. Damit die «ach so wehrlosen Viecher», die ohne unser Eingreifen zweifellos ihr Leben lassen würden, ins Tierheim gebracht werden. Oder zum Arzt. Oder wohin auch immer. Schauen die Menschen in vielen Situationen, in denen Hilfe gebraucht wird, gern weg, so sind sie, wenn es um Tiere geht, in Scharen da, um uns zu alarmieren.
    Und genau nach diesem Muster durften wir wieder einmal an dem altbekannten Zeitvertreib teilnehmen: «Fahrt zur Schillerstraße, Ecke Büdchen» – «Büdchen» ist Ruhrpott für einen Kiosk, ebenso geläufig unter der Bezeichnung «Trink-» beziehungsweise «Verkaufshalle» – «Jodokus Quack läuft da mit seinem Nachwuchs rum. Der mündige Bürger ruft um Hilfe.» Für Steffen, Kevin, den Wachführer und mich hieß das konkret: Entenjagd. Aber da wir vier gerade unterwegs waren, hatten wir keinen Karton dabei, um Familie Quack zu beherbergen, bis wir sie irgendwo abliefern konnten. Das konnte interessant werden …
    An jener besagten Budenecke trieb sich tatsächlich eine etwas überfordert wirkende Entenmutter mit ihrer sechsköpfigen Rasselbande herum. An sich keine Notlage. Und es machte auch keinen Sinn, sie wegen Landstreicherei festzunehmen. Aber der Bürger wollte dennoch etwas sehen, wenn wir schon da waren. Einfach mit den Händen in den Taschen wieder abrücken, weil die Enten aller Wahrscheinlichkeit nach alleine klarkommen würden, das ging nicht mehr. Nicht umsonst hatte man uns gerufen.
    «Wie machen wir das jetzt am sinnvollsten?», fragte ich nachdenklich.
    «Na ja, wir haben den Kescher», meinte Steffen. «Hol den schon mal aus dem Dachkasten. Ich laufe derweil rüber in den Supermarkt und konfisziere dort einen Karton.»
    Nachdem wir Kescher und Kartons beisammen hatten, hüpften vier erwachsene Männer auf einer Grünfläche mit gut duftenden biologischen Tretminen herum, auf der Pirsch nach einer Entenfamilie. Dabei waren wir darauf bedacht, uns sofort zurückzuziehen, geriet die Anführerin der Karawane zu sehr in Unruhe. Denn was viele menschliche Zweibeiner nicht bedenken, wenn sie von uns verlangen, diesen Wildtieren zu «helfen»: Wird es der Mutter zu bunt und sie fliegt davon, kann es sein, dass sie nicht wieder zurückkommt. Und das ist für die Küken, die man an sich problemlos fangen kann, oft das Todesurteil. Kükenpflege ist nämlich gar nicht so einfach.
    Wir gaben also unser Bestes, um die Stockentenerziehungsberechtigte nicht kopflos zu jagen, sondern sie mitsamt ihrer Familie zu überlisten.
    «Wir könnten sie an der Budenwand entlangtreiben», überlegte nun Kevin, «und du, Ingo, stellst dich hinter die Ecke und hältst den Kescher auf den Boden. Vielleicht läuft die Entenmama ja drauf. Wenn wir die haben, kriegen wir die Kleinen auch.»
    So zumindest unsere Theorie. Ich postierte mich also wie ein Überfallkommando hinter der von Kevin anvisierten Ecke und stellte die Falle. Doch die Entenmutter roch kurz vor dem Zugriff Lunte und schlug einen Haken um das am Boden liegende Netz. Und die sechs Federflummies flatterten natürlich hinterher.
    Irgendwann war es dann passiert: Die Mutter flog in Panik etwa fünfzig Meter weg, landete vor dem nächsten Gebüsch und schnatterte nach ihren Jungen. Die Küken indes piepsten so wild durcheinander, dass man kaum verstehen konnte, was sie wollten. Ich vermutete, sie riefen nach der Mama.
    Steffen schlug eine Taktikänderung vor: «Wenn wir die kleinen Knäuel festsetzen, kommt die Alte vielleicht dazu und lässt sich ebenfalls fangen.»
    Keine schlechte Idee. Also wurde der Karton über die zurückgebliebenen Tennisbälle gestülpt. Die Ansage der Minis war jetzt eindeutig: «Die Kinder der Familie Jodokus Quack möchten aus der Spielecke abgeholt werden!» Nun hofften wir, dass die scheinbar alleinerziehende Mutter zurückkehrte, würden wir erst einmal vom piepsenden Karton Abstand nehmen. Aber Kevin war noch nicht ganz fort von dieser tönenden Pappe, da … Erwähnte ich, dass es ein Bananenkarton war? So einer mit Luftlöchern? Nein? Na ja. Jedenfalls sah es aus wie bei der Ziehung der

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