1130 - Zombieville
Karinas Worte hatten es trotzdem geschafft, den Keim des Mißtrauens in mir zu legen. Sollte Wladimir hier wirklich auf verbotenen Pfaden wandeln? Wenn das der Fall war, dann mußte er verdammt gute Gründe haben, um uns aus dem Spiel zu lassen. So hatte Wladimir eigentlich noch nie reagiert. Er war mir fremd. Ach, verdammt, ich wollte es nicht glauben.
Nachdem ich einen letzten Blick auf die Zombie-Reste geworfen hatte, drehte ich mich um und folgte Suko, der bereits auf dem Weg zum Zelt war. Keiner von uns wußte jetzt, wie es weitergehen sollte. Wir waren dazu verdammt, in dieser Einöde zu warten und darauf zu hoffen, daß Wladimir wieder zurückkehrte.
Da konnten die restlichen Stunden der Nacht verdammt lang werden. Ich fühlte mich alles andere als müde. In mir steckte eine Unruhe, die mich weitertrieb. Am liebsten wäre ich sofort schon gestartet, um noch in der Dunkelheit Zombieville zu erreichen, denn sehr weit lag dieser Ort von hier nicht entfernt.
Vor dem Zelt blieb ich stehen. Die Helligkeit störte mich, denn sie machte mich zu einer Zielscheibe. Außerhalb des Rings war nichts zu sehen. Die Stille der Nacht und deren finster Schatten schienen Boten der Hölle zu sein, die uns umzingelt hatten.
Es war kein Laut zu hören. Kein Tier heulte, kein Vogel flatterte über meinen Kopf hinweg. Keine menschliche Stimme sprach oder flüsterte. Die unheimliche Wand hielt alles zurück.
Ich betrat das Zelt. Suko stand, während Karina am Tisch saß. In einer ungewöhnlichen Haltung. Sie hatte den rechten Arm ausgesteckt und ihn dabei gedreht. Das Handy lag auf ihrer Handfläche, aber sie selbst schaute ins Leere.
»Was hast du?« fragte ich.
Die Antwort kam von Suko. »Du kannst wirklich am Ende der Welt sein, aber ein gutes Telefon verschafft dir trotzdem Verbindung mit dem Rest.«
»Ja und?«
»Wladimir hat angerufen.«
Ich sagte nichts. Nur meine Augen weiteten sich. »Was… was… wollte er denn?«
Jetzt sprach Karina. »Er hat seinen Plan umgeworfen, John. Er will, daß wir sofort losfahren.«
»Nach Zombieville?«
»Du hast es erfaßt.«
***
Das war ein Schlag. Damit hatte auch ich nicht gerechnet und schüttelte zunächst einmal den Kopf.
Durch ihn wirbelten die Gedanken und Vermutungen, aber sie klebten auch zusammen, so daß ich zu keinem Ergebnis kam. Nur das Gefühl in meinem Innern verdichtete sich zu einem Druck, und der war nicht positiv.
Karina Grischin schaute mich starr an. Erst als ich ihr in die Augen sah, fing sie wieder an zu sprechen. »Wie denkst du nun über meine Vermutung, was Wladimir angeht?«
Ich wollte ihr nicht zugestehen, daß es mich getroffen hatte. »Welche Gründe hat er denn genannt?«
»Sehr profane. Er war der Meinung, daß sich für ihn der Weg zu uns zurück nicht lohnen würde. Zeitlich, versteht sich. Ich kenne den Weg zum Ziel, und von seiner Position aus ist es näher für ihn.«
»Hat er dir gesagt, wo er sich befindet?«
»Nein.«
»Und was ist mit den beiden Verletzten?«
»Davon hat er auch nichts gesagt. Es ist schon alles sehr seltsam, wie ich zugeben muß. Ich jedenfalls kenne ihn nicht so.«
Ich stützte meine Hände auf den Tisch. »Was hat er dir sonst noch gesagt?«
»Das war alles, John«, flüsterte sie. Ihr Gesicht war zu einer Maske geworden. »Ich habe ihn noch fragen wollen, doch er hatte keine Lust mehr, mit mir zu reden.«
Ich richtete mich wieder auf. »Keine Lust mehr«, wiederholte ich mit tonloser Stimme.
»Ja, so ist es gewesen. Tut mir leid, wenn ich dir das sagen muß. Eine andere Möglichkeit steht leider nicht zur Auswahl.«
»Das befürchte ich auch.«
»Wir müssen uns entscheiden«, sagte Suko. »Bleiben wir oder fahren wir nach Zombieville?«
Wir schauten uns an. Jeder überlegte. War es eine Falle? War es keine?
Das Risiko war nicht abzuschätzen. Wir würden es herausfinden, wenn wir in Zombieville eingetroffen waren.
Ich nickte den anderen zu. »Okay, wir werden das tun, was Wladimir verlangt hat - oder?« Ich hatte mit dem letzten Wort Karina Grischin gemeint, die scharf lachte.
»Natürlich werden wir fahren!« sagte sie, »denn jeder von uns möchte doch wohl über Wladimir Gewißheit haben.«
Ich sagte nichts und drehte mich nur scharf um. Das Zelt verließ ich als erster…
***
Wladimir Golenkow fuhr durch die Nacht. Er war froh, daß ihn seine Freunde nicht so sahen, denn sie hätten sich sonst ihre Gedanken gemacht. Zu recht, denn er fühlte sich wie ein Schuft und ein Verräter zugleich.
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