116 - Dämonenfalle Amazonas
dachte, ich würde verrückt werden, wenn ich nur einen Tag länger bliebe. Nachts, als alle schliefen, verdrückte ich mich.«
»Wohin?« fragte ich. »Wohin geht ein Junge von zwölf Jahren?«
»Ein Junge dieses Alters ist in Brasilien kein Kind mehr, Mr. Ballard. Ich stahl mich den Fluß hinauf. Ich klaute, was nicht festgebunden war, und machte es zu Geld. Wenn man mich erwischte, bekam ich Prügel, aber die war ich von zu Hause gewöhnt, und mein Vater hatte mich wegen Nichtigkeiten härter geschlagen. Die Zeit verging, Ich schloß mich einigen Garimpeiros an, war ihr Diener. Sie nützten mich aus, versprachen mir etwas Gold, das sie finden würden, doch sie betrogen mich um meinen Anteil. Aber ich lernte. Jedesmal, wenn ich draufzahlte, lernte ich dazu, und bald wußte ich ganz genau, wie der Hase läuft und was man tun muß, um im Leben nicht unter die Räder zu kommen… Und heute bin ich der Capo einer Garimpeiro-Siedlung. Wenn das meine Mutter wüßte, wäre sie bestimmt stolz auf mich, aber ich glaube nicht, daß die arme Frau noch lebt.«
Drei bis vier Stockwerke hatte der Etagenwald, durch den wir ritten, und die Luft war unangenehm feucht. Vollgesogen mit Schweiß klebte das Hemd zwischen meinen Schulterblättern.
Optisch sah der immergrüne tropische Regenwald ja großartig aus, aber ich konnte nicht verstehen, daß es Rian Goddard hierher gezogen hatte. Das waren doch alles andere denn angenehme Lebensbedingungen für einen Europäer.
Der Pfad wurde schmal. Wir mußten hintereinander reiten.
Ich hatte den Eindruck, daß Omene wachsamer geworden war, und auch Dondo Narrine redete bedeutend weniger. Dafür blickte er sich um so gewissenhafter um, Hatten wir das Gebiet der Iaviros erreicht?
Mir schnürte es unwillkürlich die Kehle zu.
Kopfjäger verwenden Curare, dieses heimtückische, schnell wirkende Pfeilgift, ging es mir durch den Kopf. Und sie benützen Blasrohre. Sie liegen auf der Lauer; man sieht sie nicht. Man muß über sie stolpern, um sie wahrzunehmen. Und lautlos schicken sie den Tod los. Ein kurzes Pusten - und er befindet sich auf der Reise…
Je länger ich mich mit diesen Aussichten beschäftigte, desto weniger wohl fühlte ich mich in meiner Haut. Wenn mich eine Mücke stach, dachte ich manchmal, es wäre schon so ein vergifteter Pfeil.
Auf der Jagd brauchten die Iaviros ihre Beute nicht einmal voll zu treffen. Ein kleiner Ritzer genügte - und schon war das Tier erlegt.
Dasselbe galt natürlich auch für uns.
Ich fragte mich, wie der Ex-Dämon Mr. Silver auf eine solche Verletzung reagieren würde. Für ihn galten andere Gesetze. Er war kein Mensch. In seinen Adern floß schwarzes Blut - allerdings vom Bösen entgiftet.
Omene redete mit den Händen zu Dondo Narrine.
»Was sagt er?« wollte ich wissen.
»Iaviros«, knurrte der Capo. »Omene behauptet, er könne sie riechen.«
»Er meint, sie sind hier versteckt?«
»Scheint so.«
»Dann befinden wir uns in ihrem Gebiet.«
»Tja das läßt sich nun nicht mehr ändern«, sagte Narrine. »Ich hatte gehofft, daß sie es nach Westen ausdehnen würden, aber sie haben die Grenze diesmal für unbestimmte Zeit nach Osten verlagert. Weiß der Teufel, warum sie das tun. Vielleicht kämen sie sonst nicht zu genug Köpfen…«
»Können wir nicht noch nach Norden ausweichen?«
»Im Norden ist der Amazonas.«
»Und was ist mit dem Süden?« fragte ich.
Der Capo schüttelte den Kopf. »Zu spät.«
Ich begriff nicht sofort, was er damit meinte; aber ich sah, wie sich Mr. Silver an den Hals griff, und mir fiel der Giftpfeil auf, der dort steckte.
Als der Ex-Dämon vom Maultier kippte, zog sich meine Kopfhaut schmerzhaft zusammen!
***
Angriff ist die beste Verteidigung. Wieder einmal bestätigte sich dieser weise Spruch. Als ich Mr. Silver stürzen sah, griff ich zum Colt Diamondback, und auch Omene und Dondo Narrine griffen zu ihren Waffen.
Wir blieben nicht starr vor Schreckais Zielscheiben für die Kopfjäger stehen, sondern trieben unsere Reittiere an und preschten in den Busch.
Unsere Schüsse erschreckten die laviros. Wir trieben sie aus ihren Verstecken. Sie ergriffen die Flucht, brachten sich in Sicherheit. Wir hinterher. Als die Maultiere nicht mehr durch das dichte Unterholz kamen, sprangen wir ab und setzten die Jagd auf die hinterhältigen Kopfjäger zu Fuß fort.
Ich hatte ständig eine schreckliche Szene vor Augen: Mr. Silver, wie er vom Reittier stürzte.
Das erfüllte mich mit Wut. So vielen Gefahren hatte
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