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1193 - Gestern ist heute

Titel: 1193 - Gestern ist heute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Mal.
     
    2. DIE ABLEGER
     
    Wer jemals in seinem Leben einem Oxtorner begegnet war, der weiß, daß er gut daran tut, sich mit dieser Sorte Mensch nicht anzulegen. Er würde unweigerlich den kürzeren ziehen.
    Oxtorner stammen von einer Welt, deren Existenzbedingungen jeden unbefangenen Betrachter das Grauen lehren würden. Die Lufttemperaturen dort schwanken in einem Bereich zwischen minus 120 und plus 100 Grad Celsius. Die Schwerkraft beträgt fast 5 Gravos, und in unregelmäßigen Abständen toben mächtige Stürme über das Land, deren Geschwindigkeit in den Spitzen mitunter 1000 Stundenkilometer erreichen kann. Hervorgerufen von den Pulsationen der roten Riesensonne, wird der Planet immer wieder von schwersten Beben heimgesucht.
    Innerhalb von vier Generationen hatten sich die Oxtorner dieser mörderischen Umwelt angepaßt. Durch gezielte Veränderung der Erbsubstanz erlangten sie eine Widerstandsfähigkeit und Konstitution, die zumindest unter den Völkern, die in direkter Linie von Terranern abstammten, eine absolute Sonderstellung einnahm.
    Sie konnten es wagen, jeder Gewalt zu trotzen.
    Auch Stalion Dove war ein solches Kraftpaket.
    Dennoch hatten sie ihn erwischt.
    Er hockte auf einem schmalen Podest, die Beine von sich gestreckt, Kopf und Schultern gegen die Wand gelehnt. Obwohl er die Durchschnittsgröße seines Volkes nicht erreichte, wirkte er wie ein zum Bersten mit Energie gefüllter Koloß. Gewiß trug zu diesem Eindruck der schwarze Overall bei, den er trug. Unter dem eng anliegenden Stoff zeichneten sich die mächtigen Muskeln ab, die in ihrer Konsistenz durchaus mit Strünken aus Stahlplastik konkurrieren konnten. Der Schädel des Mannes war haarlos und glänzte im Licht der Deckenlampen in einem öligen Braun.
    Markantestes Merkmal seiner Physiognomie waren dicke schwarze Augen, die auf vorstehenden Brauenwülsten saßen und grimmig einen imaginären Punkt fixierten.
    Keine seiner umweltspezifischen Eigenschaften hatte dem Oxtorner etwas genützt. Die Posbis hatten ihn paralysiert und eingekerkert – wie alle anderen GAVÖK-Angehörigen auf der Hundertsonnenwelt auch.
    Jetzt, nachdem die Lähmung von ihm abgefallen war, grübelte er stumm vor sich hin. Ich schob diese Reaktion weniger der Niederlage zu, die er hatte wegstecken müssen. Vielmehr glaubte ich, daß ihn tatsächlich ein bestimmtes Problem beschäftigte, über das er noch nicht reden wollte. Ich ließ ihn in Ruhe. Beizeiten würde er die Sprache von sich aus darauf bringen.
    G'irp, mit dem wir das zweifelhafte Vergnügen hatten, unsere Unterkunft zu teilen, zeigte sich weit weniger rücksichtsvoll.
    „Da sitzt er herum und schweigt", flötete er verdrossen. „Anstatt mit konstruktiven Ideen etwas zu unserer Befreiung beizutragen."
    Stalion Dove knurrte verhalten.
    „Was, zum Beispiel?"
    „Nun, du könntest dir überlegen, ob sich aus deinen Körperkräften Kapital schlagen läßt..."
    „Vielleicht tut er das?" warf ich ein. „Vielleicht hat er längst einen Plan?"
    Der Oxtorner winkte ab.
    „Vergiß es. Wir kommen hier so schnell nicht hinaus. Zunächst einmal sitzen wir auf Eis, ob es dem Tellerkopf nun paßt oder nicht."
    G'irp stand starr vor so viel Mißachtung. Erbost musterte er den Hanse-Spezialisten, während er mir mit dem hinteren Augenpaar hilfeheischende Blicke zuwarf.
    Es gab Leute, die bezeichneten mich als humorlos und sagten mir ein ausgesprochen düsteres Naturell nach. Zumindest im zweiten Punkt mochten sie damit sogar recht haben. Freilich, wenn sie mich in diesem Moment beobachtet hätten, wären sie von ihrer Meinung womöglich abgerückt. Ich prustete meine Belustigung förmlich hinaus.
    Stalion Dove rang sich lediglich zu einem zynischen Grinsen durch, und den Blue mußte ich wohl vollends brüskiert haben. Er wandte sich ab und tappte auf den kurzen Beinen durch den Raum, bis er einen Punkt gefunden hatte, von dem aus Dove und ich am weitesten entfernt waren.
    Ich beobachtete ihn und fragte mich, was an seinem Verhalten Theatralik und was Ausdruck echter Empfindungen sein mochte.
    Manchmal schien es mir, daß er beide Elemente bewußt vermischte, um seinem kauzigen Wesen eine gewollt heitere Note zu verleihen.
    Anatomisch verkörperte er den typischen Durchschnitts-Blue: knapp zwei Meter groß, humanoid, mit einem langen Hals und dem für sein Volk charakteristischen Schädel, der einem flachen Diskus glich und mit zwei Augenpaaren ausgestattet war. Zur Hundertsonnenwelt war er in seiner Eigenschaft

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