121 - Das Scheusal aus dem Nichts
Schulter und meinte:
„Das Ding haut hin. Ich werde jetzt das Mädchen
noch ein bißchen erschrecken, und du knöpfst dir den Alten vor. Aber es bleibt
bei dem, was wir abgemacht haben: keiner darf uns sehen! Das Ganze muß wie ein
Spuk über die Bühne gehen. Die Steinhusens scheinen nicht da zu sein. Es hatte
sich noch niemand blicken lassen. Das paßt mir weniger in den Kram. Ich hätte
gern ihre verdutzten Gesichter gesehen. Aber was nicht ist, kann noch werden.
Hier gibt’s genügend Verstecke, in denen man unterschlüpfen und die Rückkehr
der Steinhusens abwarten kann. Na. die werden Augen machen.“
Die machte jedoch zunächst er, und seine
ganzen Pläne, die er ausgeheckt hatte, wurden von einer Sekunde auf die andere
über den Haufen geworfen.
Neben der Schuppenwand schob sich lautlos
etwas empor, das aussah wie ein riesiger, wabbeliger Pudding.
Krächt prallte zurück. Ein unterdrückter
Aufschrei entrann seinen Lippen.
Mathiesen riß die Augen auf.
Der zähe Schleim floß über Krächts Schuhe.
„Verdammt!“ brachte der bullige, stiernackige
Mathiesen noch hervor. „Was ist denn das für ein Ding?“
Der Schleim kreiste Krächt sofort ein.
Mathiesen hatte den Vorteil, daß er weiter links stand.
Krächt riß sein rechtes Bein hoch, das heißt:
er versuchte es zumindest.
Aber wie angenagelt hafteten seine Füße auf
dem Boden.
Leise schmatzend floß das Schleimmonster an
der Bretterwand neben ihm empor und ergriff im Nu Besitz von seinen Waden und
Schenkeln.
Krächt schrie wie am Spieß. Schaurig hallte
es durch die Nacht. Er schlug mit den Fäusten in den Brei. Es klatschte,
einzelne zähe Tropfen spritzten auf - blieben an seiner Hand haften, sickerten
in seine Poren und verschmolzen mit seinem Fleisch - und lösten es auf,
schmerzlos und unaufhaltsam.
Mathiesen stöhnte, er griff nach einem Pfahl,
der stark wie ein Männerarm war und locker in der Erde steckte, und riß ihn
heraus.
Damit schlug er auf die formlose Masse ein,
die sich um die Schuppenwand wälzte, so hoch wie die Wand selbst wurde - und
überhaupt kein Ende zu nehmen schien.
„Er steht mit dem Teufel im Bund!“ kam es
zitternd über Mathiesens Lippen. „Wir haben es alle gewußt. Das ist seine
Rache. Er kann sich verwandeln!“
Wütend stieß er in den Brei. Sofort umschloß
der sähe Schleim den Pfahl, und der Bullige riß vergebens an dem Pflock.
Der gelbe Brei hielt ihn fest. Es erfolgte
sogar ein Gegendruck. Mathiesen wurde nach vorn gerissen. Der Pfahl wurde
förmlich von der schleimigen Masse geschluckt. Der Bullige ließ gerade noch
rechtzeitig los.
„Hilf mir! Verdammt... noch mal! Dirk, so
hilf mir doch!“ In Krächts Stimme vibrierte es und schwang das nackte Entsetzen
mit.
Er war eingeschlossen bis über die Hüften und
konnte nicht mehr vor und nicht mehr zurück. Schweiß perlte auf seinem bleichen
Gesicht, und seine Nackenhaare sträubten sich.
Der Schleimberg wuchs und nahm überhaupt kein
Ende. Er füllte mindestens einen Meter dick den Boden unterhalb der Schuppenwand.
Mathiesen fielen fast die Augen aus dem Kopf,
als er einen Blick um die andere Seite des Schuppens warf, die Seite hinter
Krächt. Der ganze Boden dort, so weit das Auge reichte, schien in Bewegung
geraten zu sein. Es war kein Weg mehr zu sehen, nicht mehr der Anfang der
Weide.
Es brodelte und gurgelte wie in einem Sumpf,
der langsam aufbrach. Das dunkle Gelb quoll sichtbar aus der Erde heraus,
formte sich zu riesigen Klumpen und wurde wie eine Lavamasse zähflüssig nach
vorn geschoben.
Mathiesen wich Schritt, für Schritt zurück.
Er konnte nicht glauben, was er hier sah. aber er wußte, daß auch er verloren
war, wenn er länger hier verweilte.
Es tropfte vom Schuppendach herab auf Krächts
Kopf. Krächt wurde selbst ein Teil der schleimigen, formlosen Masse, sank ein
darin und wurde aufgenommen. Der monströse Berg floß wie ein träger Strom
dahin, und auf der anderen Seite des Hofes merkte niemand etwas von dem Grauen,
das sich hier abspielte und das Dirk Mathiesen mit allen Sinnen zu Bewußtsein
gebracht wurde. Nie zuvor, in seinem Leben hatte er größere Angst empfunden als
in diesem Moment.
Da warf er sich einfach herum und konnte den
Anblick nicht länger ertragen. Er lief querfeldein, übersprang einen Zaun,
strauchelte in einer Bodenmulde, fiel und rappelte sich wieder auf.
Er warf keinen Blick mehr zurück. Das Gefühl,
der unheimliche Schleim befände sich genau hinter ihm, ergriff von ihm Besitz.
Er
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