122 - Der Geisterwolf
Das sah nun schon nach Absicht aus!
Grimmig richtete sich Mr. Silver auf. Spielte Spencer Douglas falsch? Dem Hünen kam in den Sinn, daß Douglas die Leiche unbedingt fortschaffen wollte.
Angeblich in Derns Büro, wo überhaupt kein Platz dafür gewesen wäre. Was hatte Douglas wirklich vorgehabt? Hatte er Derns Leiche verschwinden lassen wollen?
Der Verdacht drängte sich auf, daß Douglas wußte, was mit seinem Kollegen los war. Deshalb sollte der Tote verschwinden, ehe die Polizei eintraf.
Damit man Clerk Dern nicht sezieren und draufkommen konnte, daß er ein Schwarzblütler war. Spencer Douglas hatte also Dreck am Stecken.
Mr. Silver wollte sich den Mann kaufen und ihn einem Verhör unterziehen. Und er würde dafür sorgen, daß er auch antwortete.
Abgeschlossene Türen waren für Mr. Silver kein Hindernis. Er hatte zwei Möglichkeiten, sie aufzukriegen. Entweder er warf sich mit großer Wucht dagegen und sprengte sie kraftvoll auf, oder er setzte seine Silbermagie ein und knackte mit ihrer Hilfe das Schloß.
Da er die Tür nicht demolieren wollte, aktivierte er seine übernatürliche Kraft.
Er legte seine Hände um das Schloß. Silberpartikel tanzten auf seiner Haut.
Im Schloß klackte es zweimal, und dann ließ sich die Tür öffnen. Mißtrauisch blickte sich Mr. Silver um. Er suchte Douglas, konnte ihn aber nirgendwo entdecken.
Die Polizei hatte das Kaufhaus inzwischen weitgehend von Kunden »gesäubert«. Clark Dern wurde soeben in eine Zinkwanne gelegt und hinausgetragen.
Wo war Douglas? Beobachtete er heimlich, was mit seinem Freund passierte? Wo ist Vicky? Diese Frage durchzuckte den Kopf des Ex-Dämons mit einemmal.
Es war natürlich möglich, daß die Polizei sie gebeten hatte, das Kaufhaus zu verlassen, dann stand sie jetzt draußen und wartete auf ihn.
Mr. Silver hätte das angenommen, wenn es Spencer Douglas nicht gegeben hätte. Der Ex-Dämon brachte Vicky Bonneys Abwesenheit mit Douglas in Zusammenhang, und großes Unbehagen erfaßte ihn.
Mr. Silver fragte einen Uniformierten nach Vicky. Der Polizist konnte sich an das blonde Mädchen erinnern. Er sagte, sie wäre mit Douglas gegangen.
»Wohin?« fragte Mr. Silver sofort.
Der Beamte wies dorthin, wo sich Derns Büro befand.
»Danke«, sagte der Ex-Dämon und machte auf den Hacken kehrt.
Er lief zu Derns Büro zurück, schwenkte aber kurz davor ab, als ihm die Tür auffiel, die sich unmittelbar daneben befand. Gleich darauf hastete er die Kellertreppe hinunter.
Er konzentrierte sich, hoffte, auf diese Weise herauszufinden, welchen Weg Douglas mit Vicky Bonney eingeschlagen hatte, aber sein tastender Geist entdeckte keine Spur.
Er rannte nach links, bis zum Ende des Kellerganges, kehrte um, lief in die andere Richtung. Er rief Vickys Namen, doch sie antwortete nicht, machte sich mit keinem Laut bemerkbar.
Als er das Scherengitter sah, war er ziemlich sicher, daß Douglas und Vicky mit dem Lastenaufzug gefahren waren. Der Lift stand in der dritten Etage, Mr. Silver holte ihn in den Keller und stieg ein, Im dritten Stock gab es eine Möglichkeit, das Parkdeck C zu erreichen. Immer mehr erhärtete sich Mr. Silvers Verdacht, daß Spencer Douglas das Mädchen zu seinem Wagen gebracht und mit ihm fortgefahren war.
Wütend betrat der Ex-Dämon das Parkhaus, aber so sehr er sich auch anstrengte, er fand keine Spur von Spencer Douglas und Vicky Bonney.
***
Lächelnd kehrte Bruce O’Hara in die Küche zurück. Er hielt ein schickes Kleid in seinen Händen, das Mitbringsel von seiner Geschäftsreise.
Er hatte es gekauft, weil er von solchen Reisen immer irgendein Geschenk für Claudette mitbrachte und weil es ihm so gut gefallen hatte.
Er kannte Claudettes Konfektionsgröße, deshalb war es kein Risiko, ein Kleidungsstück für sie zu kaufen. Er war davon überzeugt, daß seine Schwester darin großartig aussehen würde.
Das Lächeln verschwand von seinem Gesicht, machte einem erstaunten Ausdruck Platz, als er sah, daß sich Claudette nicht mehr in der Küche befand, wo er sie doch ausdrücklich darum gebeten hatte, sich nicht von der Stelle zu rühren.
Die Küchentür, die in den Gemüsegarten führte, stand halb offen. Winterkälte strömte herein. Bruce hängte das Kleid über die Lehne eines Küchenstuhls und begab sich zur schmalen Tür.
Was mochte Claudette veranlaßt haben, hinauszugehen? Bruce öffnete die Tür und ließ seinen Blick schweifen. Der Vollmond hing wie eine große gelbe Scheibe über den Kronen der blattlosen
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