122 - Der Grabräuber
Sie schon mal eine so schicke Pension gesehen, Mr. Archer?"
„Nein. Wen beherbergt Mr. Conway denn hier?"
„Nur die Toten seiner Kunden, wie sich das für den Eigentümer eines anständigen Privatfriedhofes gehört. Fremde haben hier nichts zu suchen." Mezzrow sah sich um und schickte einen huschenden Blick über die Gräber. „Was meint ihr, Kinder, habe ich ihm jetzt zuviel verraten?"
„Sagen Sie mal, stört Sie der Regen nicht, Mezz?" fragte Fred.
„Nein. Er dringt durch die Haarwurzeln in den Kopf ein und düngt das Gehirn. Er sickert durch die Erde und wäscht die Toten. Ist das nicht fein?"
Er schien sich großartig zu amüsieren.
Fred trat mit ihm unter das Dach der halb eingestürzten Kapelle. Er bot ihm eine Filterlose an. Genüßlich sog Mezzrow Wheaver den Rauch ein. Unter anderen Bedingungen hätte Fred Archer diesen Mann für verrückt gehalten, aber in diesem absurden Schattenspiel wirkte er durchaus noch normal.
Fred zeigte ihm die gnostische Gemme.
„Hübsch", meinte Mezz. „Hat Ihre Frau Ihnen den Klunker geschenkt? Oder haben Sie keine Frau? Seien Sie froh, mein Junge. Eines Tages enden ja doch alle unter der Erde. Sehen Sie mich an! Ich bin allein. Ich brauche aber auch niemandem eine Träne nachzuweinen."
„Da haben Sie recht." Archer steckte die Gemme wieder in den Hemdausschnitt zurück. Mezz besaß keine dämonische Ausstrahlung, so viel stand fest. „Sagen Sie mal, sagt Ihnen der Name Angelina Garvin etwas?"
Der Alte schaute ihn erstaunt an. „Und ob! He, sind Sie etwa der Kleinen wegen gekommen? Also schön, ich führe Sie zu ihr. Keine Angst, sie befindet sich ganz in der Nähe."
Sie traten in den grauen Dunstschleier des Regens hinaus. Nicht weit von der Kapelle entfernt verharrte Mezzrow Wheaver vor einem Grabhügel. Er war mit Gras und Klee bewachsen. Der Grabstein war schräg in die Erde eingelassen und wurde an der Rückseite von einem Sockel gestützt - so, als hätten die Bestatter geahnt, daß er bald umstürzen würde.
Fred entzifferte den Namen auf dem Stein.
Angelina Garvin.
Er war erschüttert. Das Datum des Todestages lag etwa einen Monat zurück. Es war unter dem Namen eingraviert. Es folgte ein Bibelspruch, den Fred aber nicht las.
Wheaver zog ein großes Tuch hervor, schneuzte sich die Nase und steckte es wieder ein. „Sehen Sie, Mr. Archer? Hätten Sie mir gleich gesagt, wen Sie suchen, wären Sie vielleicht weniger naß geworden. Na ja, ein bißchen Wasser schadet ja keinem. Sind Sie ein Verwandter?"
„Nein. Wo wohnt Conway?"
„In der Mercedes Street."
Der Alte beschrieb ihm den Weg. Fred drückte ihm einen Schein in die Hand, bedankte sich und verließ den Friedhof.
Als er fast am Tor war, vernahm er noch, wie der Wärter hinter ihm sagte: „He, Jungs und Mädchen, wenn wir doch öfter Besuch kriegen würden! Ganze zehn Dollar hat er mir geschenkt, der Knabe. Was machen wir? Saufen wir zusammen einen?"
Matschiger Boden quatschte unter Freds Schuhen. Er steuerte auf seinen Wagen zu, nahm aber plötzlich eine Bewegung unter den Zypressen wahr und wandte den Kopf um. Eine Gestalt löste sich aus dem Dickicht unter den Bäumen und eilte davon. Sofort nahm der Detektiv die Verfolgung auf.
Der Flüchtende war ein Mann. Er trug ein honiggelbes Gewand und Sandalen und hatte einen kahlgeschorenen Kopf. Fred kam ihm näher und erkannte ihn. Kein Zweifel, es war der junge Mann, dem er vor dem
Bayshore
das Leben gerettet hatte - Edwards Gesprächspartner.
„Stehenbleiben!" rief Fred.
Der Glatzkopf gehorchte nicht. Er rannte quer über einen durchweichten Sturzacker. Die Sandalen waren nicht gerade das ideale Schuhwerk für einen solchen Sprint. Plötzlich hakte er mit dem linken Fuß hinter eine Scholle fest, stolperte und kam zu Fall.
Fred war bei ihm, als er sich wieder aufrappelte. Er packte ihn und zog ihn zu sich heran.
„Und jetzt noch mal ganz von vorn!" sagte Fred grimmig. „Wer bist du?"
„Sie haben kein Recht, mich festzuhalten."
Fred schüttelte ihn ein wenig. „Freundchen, ich bin so geladen, daß ich dir am liebsten den Hals umdrehen würde. Reiz mich nicht!"
„Ich heiße Mohanda."
„Aha! Bist du amerikanischer Staatsbürger?"
„Nein, Inder."
„Schön. Das ändert nichts. Laß mich jetzt mal raten. Du gehörst einer kleinen Sekte an, die heimlich, still und unbeobachtet arbeitet. Ihr beruft euch auf Padma. Ihr habt ihn zu eurem Gebieter erhoben. "
Mohanda nickte eifrig. „Ja. Aber wir sind keine Sektierer, sondern
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