1221 - Geschäft mit der Angst
habe sie nicht gesehen. Ich sah nur, wie Brian starb.«
Diesmal waren wir nicht skeptisch, stellten auch keine weiteren Fragen, sondern ließen sie reden. Was sie uns sagte, klang so unwahrscheinlich, dass es schon wieder glaubhaft war. Der Tod des Brian Watson hing mit seiner schrecklichen Angst zusammen, die er durchleiden musste. Die Angst war zu einer Realität geworden, und so ähnlich hatte auch Ted Quinlain gesprochen, auf den mich Bill noch mal hinwies.
Ich hatte den Toten noch nicht gesehen, aber ich hatte dafür gesorgt, dass er abgeholt wurde. Alles Weitere würde ich meinen Kollegen später erklären.
»Mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen. Sie haben ihn wohl von innen her getötet oder zerfressen. Oder auch von außen, ich weiß das nicht so genau. Ich habe sie nur immer gehört. Ihr Trippeln und Trappeln. Sie haben sich überall in der Küche verteilt, aber sie haben mir nichts getan.«
»Warum gerade Brian?«, fragte Bill.
»Er hatte Angst vor ihnen.«
»Schon immer?«
»Ja, Mr. Conolly. Die Ratten waren seine Phobie. Ich kenne ihn gar nicht anders. Ich habe noch nie einen Menschen erlebt, der eine so große Angst vor Ratten hatte. Das war unwahrscheinlich und kaum zu beschreiben. Er mochte die Ratten nicht. Er hasste sie, und er hatte eine irre Angst vor ihnen.«
»Sagt Ihnen der Name Metatron etwas?«, fragte ich sie.
»Klar, das ist der Name der Klinik, in der er mal zur Behandlung gewesen ist. Auch da ging es um seine Rattenangst. Angeblich sollte dort ein besonderes Verfahren entwickelt worden sein, um ihm zu helfen. Aber im Nachhinein muss ich feststellen, dass es ihm nicht geholfen hat. Die Angst vor den Ratten ist noch stärker geworden. Und dann hat es ihn ja erwischt. Ich weiß nicht, was die Leute in der Klinik mit ihm angestellt haben. Er hat mal davon gesprochen, dass man ihn in seine eigene Angstwelt transportiert hat.« Sie zuckte die Achseln. »Ich kann mir darunter nichts vorstellen. Ich weiß es einfach nicht. Es ist mir zu hoch, aber ich weiß sehr genau, dass der Aufenthalt nicht gut für ihn war.«
»Hat er mit Ihnen darüber gesprochen?«, erkundigte ich mich.
»Nein, nur wenig.«
»Können Sie sich trotzdem an etwas erinnern?«
»An was denn?«
»An Namen.«
Lisa Farrango überlegte. »Eigentlich nicht. Wo Sie es ansprechen, wird mir bewusst, dass eigentlich keine Namen gefallen sind.«
»Auch nicht der des Chefs der Klinik?«
»Ja, ja, Sie sagen es. Der Chef. Brian hat den Leiter nur Chef genannt. Kann sein, dass er damit den Chefarzt gemeint hat. So genau weiß ich das nicht. Will ich auch nicht wissen.«
»Haben Sie ihn in der Klinik jemals besucht?«
»Nein.«
»Aber er war Ihr…«
Lisa ließ mich nicht ausreden. »Das lag nicht an mir, sondern an ihm. Er wollte es nicht. Es war wohl nicht erwünscht, kann ich mir denken. Die Patienten sollten durch nichts abgelenkt werden. Aber ich betone noch immer, dass er kränker gewesen ist als vor seiner Behandlung. Seine Angst ist viel schlimmer geworden. Er hat mir mal gesagt, dass er seine Angstwelt mitgenommen hat.«
»Das muss wohl so gewesen sein«, pflichtete ich ihr bei.
»Und dieser Name Metatron sagt Ihnen nichts?«
»Nein.«
»Sie haben sich nicht darüber gewundert, dass dies ein ungewöhnlicher Name für eine Klinik ist?«
»Darüber habe ich nicht nachgedacht.«
»Und Sie waren auch noch nie dort?«, fragte Bill.
»Wie käme ich dazu!«
»Wurde Brian damals abgeholt?«
»Nein, er ist allein gegangen.«
»Dann gab es keinen Arzt, der ihn eingewiesen hat?«, forschte Bill weiter.
Lisa schüttelte den Kopf. »Er hat mir nichts desgleichen gesagt. Die Angst war allein seine Angelegenheit, hat er immer behauptet. Obwohl wir ihm gern geholfen hätten.«
Ich übernahm das Wort. »Und was ist mit Ihren Ängsten, Lisa?«
Sie gab sich etwas irritiert. »Bitte, Mr. Sinclair, was meinen Sie damit?«
»Jeder Mensch hat Ängste. Manchmal kann es sogar sehr gesund sein, sie zu haben und…«
»Da bin ich keine Ausnahme. Bei mir war es nicht einen Bruchteil so schlimm wie bei Brian. Ich komme mit meinen Ängsten gut zurecht. Bisher jedenfalls, aber was ich heute gesehen habe…«
»Das werden Sie auch verkraften, wenn Sie tatsächlich ein so starker Mensch sind.«
»Danke, aber ich bin mir nicht sicher.«
Es sah so aus, als könnte uns Lisa Farrango wirklich nicht weiterhelfen. Sie und andere Bewohner hatten zwar hier in der WG zusammengelebt, aber jeder war doch seinen eigenen Weg gegangen. Für
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