1270 - Belials Liebling
Schwingen?«, wiederholte er.
»Wie ein großer Vogel?«
»Genau so.«
»Nein, das habe ich nicht gesehen.« Er dachte nach und drückte die Zigarette aus. »Obwohl sich etwas in der Dunkelheit bewegt hat. Das hätte schon ein Vogel sein können, obwohl es so große Vögel ja nicht gibt.«
»Das stimmt.«
Caresi lehnte sich zurück. »Jedenfalls möchte ich die Kleine gern Wiedersehen, um mich bei ihr zu bedanken. Sie hat mir schließlich das Leben gerettet.«
Als er das aussprach, nickte seine Frau.
»Das kann ich verstehen, Mr. Caresi«, sagte ich. »Vielleicht ist es auch möglich. Aber ich möchte Sie trotzdem noch etwas zu Julie fragen. Hat sie nicht genau gesagt, woher sie kommt?«
»Nein.«
»Sie war Ihnen auch bis dato unbekannt?«
»Ja, ja!«, stieß er hervor. »Ich hatte sie nie zuvor gesehen. Das ist schon komisch. Ich habe sie auch nicht groß gehört. Sie ist plötzlich da gewesen. Sie stand in dem Toilettengang wie ein kleiner Engel.« Er lachte. »Das müssen Sie sich mal vorstellen. Sie ist ein Engel gewesen, für mich jedenfalls.«
Er drehte seiner Frau das Gesicht zu. »Nicht wahr, Anna, so denkst du doch auch?«
Anna nickte. Danach verdrehte sie die Augen und schaute zum Himmel. »Ich habe sogar zu Tino gesagt, dass er seinen Schutzengel gesehen hat. Oder was meinen Sie?«
»Nichts anderes, Mrs. Caresi.«
»Wir müssen dankbar sein. Er hat meinen Mann gerettet.«
»Aber er hat das Unglück nicht verhindert«, sagte ich. »Vielleicht hätte er besser den Fahrer schützen sollen. Dann wäre es nicht zu diesem Inferno gekommen.«
Sie antwortete mit einer Gegenfrage. »Hat nicht jeder Mensch einen Schutzengel, der sich nur um ihn persönlich kümmert? Ich glaube daran, Mr. Sinclair.«
»Ja, das ist möglich.«
»Tino jedenfalls hat seine Geburt erneut erlebt. Das finde ich so wundervoll. Er hat es verdient. Er ist ein guter Mensch, auch wenn die meisten ihn auslachen, weil er in der Raststätte arbeitet. Aber der Beruf hat nichts mit dem Menschen zu tun, denke ich.«
»Da haben Sie Recht.«
Tino Caresi griff wieder zum Rotweinglas und trank einen Schluck. »Mehr kann ich Ihnen nicht sagen, auch wenn Sie mich noch so oft fragen. Ich warte nur darauf, dass ich Julie noch mal sehen kann, um mich bei ihr zu bedanken.«
»Das wird bestimmt passieren.«
Wir wussten beide, dass wir keine neuen Spuren finden würden, standen auf und bedankten uns bei den Caresis.
Anna schaute uns an. »War es schlimm, dass mein Mann mit den Presseleuten gesprochen hat?«
»Nein. In seinem Fall war das genau richtig.«
»Danke.«
Wir verabschiedeten uns von den beiden. Caresi blieb sitzen. Seine Frau brachte uns bis zur Wohnungstür. Dann fing sie an zu weinen. »Ich weiß ja auch nicht genau, was da passiert ist. Hat der Himmel uns vielleicht ein Zeichen gegeben? Ich glaube daran. Es ist jemand vom Himmel auf die Erde gestiegen und hat uns erklärt, was da zu tun ist. Daran glaube ich fest.«
»Tun Sie das«, sagte Suko.
Sie wischte über ihre Augen. »Und dann frage ich mich, warum gerade mein Mann gewarnt wurde. Warum er und keine andere Person? Ist das Zufall? Oder wollte das Schicksal nur ein wenig Gerechtigkeit walten lassen? Sagen Sie es!«
»Es war bestimmt kein Zufall. Jemand sollte das Inferno überleben. Und da hat es Ihren Mann getroffen.«
»Danke«, sagte sie und drehte sich weg.
Wir verließen die Wohnung. Anna Caresi war eine einfache Frau, sicherlich auch sehr gläubig. Jetzt hatte sie ihrer Meinung nach einen Beweis bekommen, dass es einen Schutzengel gab. Genau darüber dachte auch Suko nach, als wir die Treppe hinabschritten.
»Wer ist diese Julie Wilson, John? Wie siehst du sie? Ist sie ein Engel? Ein Schutzengel?«
»Ich kenne sie nur als einen Menschen.«
»Aber sie befindet sich in Belials Gewalt. Könnte er sie zu etwas machen, vor dem wir uns fürchten müssen?«
Über die Antwort musste ich erst nachdenken und blieb auch stehen. »Das ist schwer zu sagen. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Lügenengel andere Ziele verfolgt.«
»Schön und welche?«
»Ich bin überfragt.«
Suko sah etwas verbissen aus, als er sagte: »Und wir laufen wieder mal nur hinterher.«
»Es scheint so zu sein.« Ich öffnete die Haustür und betrat den Hof. Es hatte sich dort nichts verändert. Abgesehen davon, dass der TV-Wagen nicht mehr zu sehen war. Die Kollegen von der Schutzpolizei drückten zwei der Schläger in den kleinen Transporter hinein und fuhren mit ihnen weg.
Uns
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