1284 - Templerehre
jetzt völlig von der Rolle war.
So hätte er wohl auch reagiert, wenn ihm sein eigener Vater als lebende Leiche gegenübergestanden hätte.
»Ich bin es tatsächlich.«
Das konnte der Templer-Führer noch immer nicht fassen, denn er wich vor mir zurück als wäre ich ein Geist.
»Du brauchst dir keine Gedanken zu machen, Godwin, ich bin es tatsächlich.«
Jetzt blieb er stehen. Die Verwunderung aus seinen Augen war noch nicht verschwunden. Er konnte nur die Schultern heben, schaute sich um und runzelte die Stirn.
Ich wollte ihm auf die Sprünge helfen und fragte: »An was kannst du dich denn erinnern?«
»Erinnern?«
»Ja.«
Ein wenig verlegen zuckte er die Achseln. »Wenn das so einfach wäre, John, aber ich habe da meine Probleme, das muss ich ehrlich zugeben. Ich weiß nicht so recht, an was ich mich erinnern soll, wenn du verstehst.«
»Versuch es einfach.«
»Ich bekam eine Botschaft. Ich erhielt sie im Kloster in Alet-les-Bains. Ich hatte ja eine Warnung rausgeschickt, und da wurde mir mitgeteilt, dass van Akkeren sich wieder bemerkbar macht. Und es war auch die Rede von einem Roten Mönch. Jedenfalls war ich alarmiert und bin hergekommen. Ich habe mit einer Frau gesprochen…«
»Mit Lisette!«
»Du kennst sie?«
»Natürlich. Ich habe sie hier getroffen. Hier an dieser Stelle.«
»Sie sprach von einem Friedhof der Roten Mönche.«
»Das ist er auch.«
»Aber viel mehr weiß ich nicht.« Er schlug leicht gegen seine Stirn. »Etwas ist verloren gegangen. Du kannst darüber lachen und den Kopf schütteln, aber es ist so.«
»Ich werde mich hüten, darüber zu lachen, denn dass du dich nicht mehr so recht erinnerst, daran trage ich eigentlich einen Großteil der Schuld. Das gebe ich gern zu.«
»Wie denn?«
Ich hob die Schultern. »Das ist eine lange Geschichte, Godwin, wir sollten später darüber reden. Jedenfalls sind wir gemeinsam in die Vergangenheit gereist und haben dort gegen die Roten Mönche gekämpft.«
Nach diesen Worten überfiel den guten Godwin eine Gänsehaut. Er fing sogar an, leicht zu zittern, aber es war ihm nicht möglich, eine Antwort zu geben.
»Wir waren wieder dort, wo wir schon mal gewesen sind. Damals, als ich dich aus deiner Zeit in die Zukunft holte. Du bist sogar verletzt worden, nachdem du dich den Roten Mönchen zum Kampf gestellt hast. Leider sind es zu viele gewesen. Zuvor haben sie noch deine Getreuen umgebracht.«
Der Templer schaute mich an, als hätte ich ihm ein besonders starkes Märchen erzählt. Er konnte nicht mehr reden und schüttelte nur seinen Kopf. Bis er plötzlich zusammenzuckte und wie jemand wirkte, dem etwas eingefallen war.
»Moment mal«, sagte er. In der nächsten Sekunde zerrte er das linke Hosenbein so hoch wie möglich.
Ich ging näher an ihn heran, und Godwin drehte mir dann sein linkes Bein zu. »Schau dir das an.«
Ich sah eine Narbe. Sie war nicht besonders lang und stach auch nicht stark von der blassen Haut ab.
Aber sie war vorhanden und an der Stelle, an der mein Freund die Verletzung bekommen hatte.
»Ist… ist …«
»Ja«, sagte ich leise. »Dort ungefähr bist du verletzt worden. Du hattest Schwierigkeiten zu gehen, aber gemeinsam haben wir es geschafft, den Verfolgern zu entwischen.«
Viel sagte er nicht mehr. Das Hosenbein rutschte wieder nach unten. Danach richtete sich Godwin zu seiner vollen Größe auf. »Und ich habe mich immer darüber gewundert, woher ich die Narbe habe. Ich konnte es mir nie erklären.«
»Jetzt weißt du es.«
»Alles klar, John. Zumindest vorläufig. Aber ich denke, dass es noch einige Probleme gibt. Ich bin zu meiner richtigen Aufgabe gar nicht gekommen.«
»Stimmt, es gibt Probleme.«
»Und welche?«
»Wir müssen ins Kloster. Denn dort, schätze ich, wartet Suko auf uns, den ich bei den Nonnen zurückgelassen habe.«
»Nonnen?«
»Genau.«
»Du hast den Begriff so seltsam ausgesprochen. Ist etwas mit ihnen, John?«
»Das kann man mit gutem Gewissen behaupten. Die Nonnen sind in die Magie der Roten Mönche hineingeraten, und da Baphomet die Fäden zog, konnten sie ihm nicht entgehen. Man kann sie praktisch als seine Dienerinnen ansehen. So ist das zu verstehen.«
Der Templer sagte kein Wort. Er schaute auf seine Füße. Ich war überzeugt, dass sich hinter seiner Stirn die Gedanken drehten, doch eine Lösung lag nicht auf der Hand.
»Am besten wird es sein, wenn wir sofort gehen.«
»Ja, das stimmt, John. Nur eines noch.« Er schaute mir in die Augen. »Was ist mit
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