13 kleine Friesenmorde
mochte ihre Schwiegermutter. Annchen Bolerius half ihr und Tomco, Kredite zu tilgen.Obwohl selbst mit Haushalt und Geschäft über Gebühr gefordert, fand sie Zeit, Claudia zu besuchen, sie aufzumuntern, wenn sie gestresst vom Dienst alleine in der Kate verweilte und Tomco sich auf den Inseln aufhielt.
Angesichts des herzlichen Verhältnisses und der ihr angebotenen Kommanditeinlage, eine steuerrechtliche Konstruktion, die sie nicht einzuzahlen hatte, ihr eine Mitsprache einräumte und ihr zusätzlich neben ihrem Gehalt einen Anteil am Jahresgewinn zusicherte, kündigte Claudia ihr Dienstverhältnis auf.
Ihre Ehe mit Tomco verlief harmonisch. Claudia und Tomco bildeten mit der Mama eine glückliche Familie, die ihren Wohlstand nicht nach draußen trug. Tomco fuhr einen Mercedes, der auf die Firma zugelassen war, während sich Claudia und die Mama für die Einkäufe und Stadtfahrten einen Golf-Kombi teilten.
Bei den Stadtfesten und Bürgerversammlungen, wenn es mal wieder im »Reichshof« um bauliche Umgestaltungen des Meerwasser-Wellenbades ging oder existenzielle Fragen des staatlich anerkannten »Nordseebades« und der Dauerstreit um die Kurtaxe die Gemüter erregten, sprachen sie mit einer Stimme. Der parteilose Tomco Bolerius fand Gehör. Er engagierte sich für die Interessen der »Ostermarscher«, so weit es seine Zeit erlaubte. Seine niedliche Frau Claudia unterstützte ihn dabei. Doch sie und die Mama reagierten skeptisch auf Tomcos Aufstieg zum Lokalpolitiker, der sich, völlig eingebunden in seiner Firma, zusätzlich mit Aufgaben zu belasten begann.
Claudia sehnte sich nach einem Kind, die Mama nach einem Enkel. Es lag nicht an ihr, das wusste Claudia. Ihr Mann war bei weitem kein Versager. Doch seine hektischen, beruflich bedingten Unruhen belasteten seineWochenendbesuche, ließen ihn nicht zur Ruhe kommen. Er war voller Pläne, wenn er mit ihr in der Kate vor dem offenen Feuer saß.
Daran änderte sich auch nichts, als Tomco im Sommer 1990 seinen vierwöchigen Urlaub zu Hause verbrachte.
Er half gelegentlich im Geschäft aus, kümmerte sich um die Buchführung und beriet sich mit dem Steuerberater. Angesichts der hervorragenden Finanzlage erfüllte er sich einen Jugendtraum, den in die Tat umzusetzen ihm die Frauen vergeblich auszureden versuchten. Er kaufte sich ein Motorrad der Marke BMW, mit dem er an vielen Nachmittagen Touren in die benachbarten Orte und Städte unternahm.
Claudia wurde nicht schwanger. Der von ihr befürchtete Motorradunfall ihres Mannes blieb aus. Dagegen bestätigte sich die alte Volksweisheit, dass das Glück an einem seidenen Faden hing.
Ende August erschütterte Tomco Bolerius die Nachricht vom Konkurs des Investors »Oderhoff und Offermatt AG«, Moers. Die Bauträgergesellschaft riss die »Eike Casparsen GmbH« mit in den Ruin. Die ausbleibenden Zahlungen für ausgeführte Aufträge wiesen Löcher auf, die weder kurz- noch langfristig zu stopfen waren. Subunternehmer, hellhörig geworden, drängten auf Ausgleich ihrer Forderungen.
Die Medien berichteten, sorgten mit Halbwahrheiten für weitern Wirbel. Der Firmeninhaber und seine Prokuristen suchten Rückhalt bei den Banken. Angesichts der schlechten Auftragslage blieben Übernahmeangebote aus. Da warteten potenzielle Konkurrenten auf dasendgültige Aus, um erst danach ihre Fühler auszustrecken. Da starb ein gesundes Unternehmen an einer kleinen Erkältung, wie die Gesetze des Marktes es befahlen.
Anfang September trug der Insolvenzantrag an das Norder Amtsgericht auch die Unterschrift des Prokuristen Tomco Bolerius.
Wie immer begann die Suche nach Schuldigen, waren Besserwisser am Werke. Da war in den Medien die Rede von »Blauäugigkeit«. Zu den Geschmähten gehörte auch Tomco Bolerius. Das Konkursgericht bestellte Sachverständige, die sich um die geschädigten kleinen Handwerksbetriebe besonders bemühten.
Dank des Vermögens seiner Mama und der reichlich abgesicherten Finanzierung der Kate sah Tomco Bolerius den Prüfungsberichten der Experten gelassen entgegen. Sicherlich war da das eine oder andere noch bei der sich abzeichnenden Schwäche des mächtigen Partners unter der Hand geregelt worden. Dabei hatte Tomco mitgemischt, weil, wie es geheißen hatte, die Hausbank der »Oderhoff und Offermatt AG« die Liquiditätslücke geschlossen hätte.
Tomco Bolerius sah Regressansprüchen ängstlich entgegen, die er vor Claudia und der Mama verbarg.
Ende August, Anfang September flaute das Geschäft mit
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