130 - Der Wahnsinnige
des nahen Geysirs beheizt, mußte an sein, denn am Fenster hatten sich keine Eisblumen gebildet.
Dorian schaute ins Wohnzimmer des Haupthauses, einen großen, rustikal eingerichteten Raum mit gebeizten Deckenbalken, einem Bauernschrank und einem gemauerten Kamin.
Dorian hatte den Hof von Magnus Gunnarsson, der sein Mitbewerber um das Erbe des Hermes Trismegistos gewesen war, übernommen. Gunnarsson hatte sich als nicht integer genug erwiesen, um all die Macht in die Hände zu bekommen, die mit dem Erbe des Dreimalgrößten Hermes verknüpft war. Es hatte ihn das Leben gekostet. Jetzt war Unga als Hofverwalter eingesetzt, wenn er nicht gerade unterwegs war. Meistens lebten Don Chapman und Dula hier, mit ein paar Islandponys. Was Dorian in dem Wohnzimmer sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren.
Das elektrische Licht brannte; das Gehöft verfügte über einen Generator. Eine unheimliche Gestalt saß am Tisch, mit dem Gesicht zum Fenster - ein stämmiger Mann mit einem schwarzen Umhang, einem verwitterten Gesicht, einer Halbglatze und wirren eisengrauem Bart. Er fletschte auf eine widerliche Art die Zähne.
Auf dem Tisch lag, mit Armen und Beinen an zwei X-förmig zusammengebundene Holzstäbe gefesselt, die Zwergfrau Dula. Die Finger des widerlichen Mannes betasteten ihren dreißig Zentimeter großen Körper, an dem alles vorhanden war wie bei einer normalen Frau. Ein großes Messer, größer als Dula, mit breiter Klinge lag neben ihr auf dem Tisch.
Don Chapman war auf den Fenstersims gesprungen. Er sah das gleiche wie Dorian und konnte einen entsetzten Aufschrei nicht unterdrücken.
Der Unheimliche im Zimmer hörte ihn, trotz des heulenden Sturmes. Sein Kopf ruckte hoch.
„Los, Unga!" rief Dorian. „Ins Haus!"
Sie liefen zur Haustür, fanden sie aber verschlossen vor.
„Laß mich machen!" rief Unga.
Der zwei Meter große, muskelstrotzende Cro Magnon warf sich gegen die Haustür - zweimal, dreimal. Die Haustür flog auf. Unga stürzte in den dunklen Gang.
Dorian sprang über ihn hinweg. Er kannte sich im Haus so gut aus, daß er sich auch blind orientieren konnte. Die Tür des Wohnzimmers war nicht verschlossen. Dorian riß sie auf.
Der unheimliche Kerl mit dem Umhang hatte Dula gepackt und das Messer auf ihren Leib gesetzt. Er kicherte.
„Keinen Schritt weiter!"
Unga trat neben Dorian. Licht fiel aus der Tür und erhellte den hinteren Teil des Flurs. Reena und Don Chapman gesellten sich zu ihnen. Der Zwergmann bebte am ganzen Körper. Er hatte die Hand unter dem Jackett und war bereit, seine Miniaturpistole hervorzureißen.
Eiskalt wehte es zur Haustür herein.
„Bist du Croyd?" fragte Dorian.
„Ja, Croyd bin ich, Croyd. Der Hof gehört jetzt mir. Er wird morgen kommen, der mich geschickt hat. Aber ich muß noch die Dämonenbanner wegräumen. Ich wollte es eigentlich schon tun, aber sie da, die Kleine, hat mich so fasziniert. Glaubt ihr, daß er böse sein wird?"
„Wir reden mit ihm", sagte Dorian und lächelte freundlich, obwohl er sich dazu zwingen mußte. „Wenn du der Zwergfrau etwas tust, wird er dich ganz bestimmt bestrafen. Leg sie da auf den Tisch und komm her! Dann reden wir in Ruhe miteinander, Croyd."
Dorian merkte, daß der unheimliche Mann vor ihm nicht alle beisammen hatte. Er wollte ihn überlisten, einlullen und dann übertölpeln. Anders ging es nicht.
„Kennst du ihn denn?" fragte der Irre und grinste schlau.
Dula schaute auf die für sie riesige Messerklinge und stöhnte. Sie war hübsch, eine richtige kleine Miniaturschönheit.
„Natürlich kenne ich ihn", behauptete Dorian. „Er ist doch ein alter Freund von mir. Er hat mir gesagt, daß ich dich hier treffe, Croyd."
„Ach!" Die Augen des Irren wurden groß. Plötzlich brüllte er los. „Du lügst! Dich habe ich hier schon gesehen, auch wenn du dir jetzt den Bart abrasiert hast. Und den Großen hinter dir und den Zwerg kenne ich auch. Diese beiden wohnen hier. Wir Breydurs beobachten den Hof, ihr Hermes- Trismegistos-Gesindel!"
Dorian trat ins Zimmer und blieb drei Meter vor dem Irren stehen. Seine Ausstrahlung war seltsam. Dieser Irre war ohne Zweifel ein Dämon. Aber wie konnte ein Dämon wahnsinnig sein? Davon hatte Dorian noch nie etwas gehört. Für die Dämonen waren die Ausstrahlungen eines verrückten Gehirns schmerzhaft und qualvoll. Ein verrückter Dämon hätte sich eigentlich mit seiner irren Ausstrahlung selber zu Tode quälen müssen.
Doch im Moment konnte Dorian dieses Rätsel nicht
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