1303 - Blut für das Disco-Trio
über das Meer, sondern hinein in eine andere, dunkle Existenz…
***
Anastasia erhob sich vom Bett. Mit dem Handrücken wischte sie das Blut von ihren Lippen und leckte es dann von ihrer Haut ab.
Kein Tropfen sollte verloren gehen.
Sie war mit sich und der Welt zufrieden. Dieser Biss und dieses Trinken waren der Eintritt in die neue Welt gewesen. Das große und herrliche Wunder. Sie fühlte sich nicht mehr matt und zerschlagen, sondern sehr satt, und tief aus ihrer Kehle drang ein knurrendes Geräusch, als wäre ein Tier zufrieden gestellt worden.
Genau das war sie auf eine bestimmte Art und Weise auch. Zwar sah sie aus wie ein Mensch, aber das Tier in ihr hatte die Oberhand gewonnen, und das war auch gut so. Sie riss den Mund weit auf. Sie lachte dabei scharf und keuchend zugleich. Für sie war alles in bester Ordnung. Es gab die Schwäche nicht mehr. Jetzt war sie stark, stärker als sonst. Sie war gut, sie liebte ihre neue Existenz, und sie hatte es geschafft, eine weitere Person in diese Welt zu holen.
Noch lag Michelle regungslos auf dem Bett. Anastasia war überzeugt, dass sich das bald ändern würde, denn so war es auch ihr ergangen. Der Keim brauchte eine gewisse Zeit, um sich ausbreiten zu können. Das alles erfolgte nach bestimmten Regeln.
Michelle sah aus wie tot. Der Kopf blieb auf der rechten Seite liegen. Das rote Haar hatte Anastasia zurückgestrichen, denn nun konnte sie auch die Halsseite erkennen.
Genau dort hatte sie zugebissen.
Zwei Wunden hatten die spitzen Zähne hinterlassen. Sie waren nicht nur durch die Haut gedrungen, sondern auch tief in das Fleisch hinein. Sie hatten Adern getroffen, sie zerstört und dafür gesorgt, dass das Blut sprudeln konnte. Einige Flecken hatten sich um die kleinen Wunden herum ausgebreitet und wirkten wie eine schwache Schminke.
Anastasia wischte sie nicht weg. Michelle war für sie uninteressant geworden, denn jetzt musste sie sich an den zweiten Teil ihrer Aufgabe machen.
Es gab jemand, der im Bett lag und schlief, und der nicht mal etwas ahnte.
Sie grinste. Hart zerrte sie die Lippen auseinander. Ihr Blick war kalt wie geschliffener Stahl, und sie »lauschte« auf eine bestimmte Art und Weise in sich hinein.
Sie wollte wissen, ob sie satt war, und genau das traf bei ihr nicht zu.
Nein, sie war nicht satt. Überhaupt nicht. Das Blut ihrer Freundin hatte sie bis auf den letzten Tropfen getrunken, und trotzdem würde sie noch etwas schlucken können. Sie musste sich vollpumpen, denn bis zum nächsten Biss würde wieder Zeit vergehen. Am Tage würden sie sich verstecken müssen. Erst bei Anbruch der Dunkelheit kam ihre Zeit, und dann würden sie ihre ersten Zeichen setzen.
In der Disco, beim Auftritt!
Wenn ein Vampir Freude empfinden konnte, dann war das hier der Fall. Anastasia spürte die tiefe Freude in ihrem Innern. Es machte sich auch am Glanz der Augen bemerkbar. Sie liebte ihre neue Existenz. Sie fühlte sich so unbesiegbar. Wer immer sie angriff, er würde verlieren, das stand für sie fest.
Ihr nächstes Opfer hieß Sheena. Es war die junge Frau mit der dunkleren Haut. Eine richtige Schönheit, eine Mischung aus Asien und Europa. Die Farbe der Haut hatte sie von ihrer indischen Mutter mitbekommen und auch die dunklen Augen. Ihr Vater war ein norwegischer Seemann gewesen, der sich nur für eine Woche in London aufgehalten hatte. Diese Zeit allerdings hatte ihm ausgereicht, um Sheena zu zeugen. Danach war er dann verschwunden und hatte sich nicht mehr blicken lassen.
Zurückgeblieben war ein besonderes Erbe, auf das so viele Männer scharf waren.
Daran dachte Anastasia nicht, als sie Michelles Zimmer verließ.
Im Flur brannte noch immer das schwache Licht. Es störte die Wiedergängerin nicht. Hätte die Sonne ihre Strahlen gegen sie geschickt, wäre das etwas anderes gewesen.
Sie öffnete die Tür zu Sheenas Zimmer, trat aber noch nicht ein, sondern blieb auf der Schwelle stehen, um einen ersten Rundblick durch den Raum zu werfen, der dunkel war.
Nicht finster. Zwischen den Wänden hatte sich eher eine graue Dunkelheit ausgebreitet. Das Fenster war geschlossen. Vorhänge breiteten sich wie Lappen aus.
Sie betrat den Raum. Aus dem Flur fiel noch ein schwacher Lichtschein in das Zimmer. Er endete vor dem Bett, auf dem sich Sheena ausgestreckt hatte.
Das lange dunkle Haar hatte sie gelöst. Es verdeckte den Kopf und auch das Gesicht, denn die Frau lag halb auf dem Bauch und halb auf der Seite.
Sie schlief tief und fest. Ihre Atemzüge
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