1333 - Mordgelüste
hatte Suko die beiden Frauen nicht zurückgelassen, aber er wusste auch, dass sie in der Lage waren, sich zu wehren. Das hatten sie in der Vergangenheit oft genug bewiesen.
Er lenkte seinen BMW durch das nächtliche London. Die Feuchtigkeit hatte sich auf den Lack gelegt und ließ ihn glänzen.
London war zu einer verhältnismäßig ruhigen Stadt geworden. Die schwere und drückende Hitze würde verschwinden. Der erste Regen hatte für Feuchtigkeit gesorgt, und auch Dunstschwaden lagen über den Straßen.
Trotzdem hielten sich noch zahlreiche Menschen im Freien auf.
Viele genossen die leichte Kühle und ließen sich bewusst nässen.
Aber sie waren ruhiger geworden. Sie schienen zu merken, dass sich der Sommer dieses Jahr verabschiedet hatte und bald dem Herbst weichen würde.
Mit diesen Gedanken beschäftigte sich Suko nicht. Er wollte so schnell wie möglich sein Ziel erreichen, denn er spürte, das sich John in Gefahr befand. Er hatte sich in die Höhle des Löwen hineingewagt. Er war allein und er wusste nicht, wie Saladin als Gegner reagierte.
Suko hatte vor diesem Hypnotiseur höllischen Respekt. Nicht etwa, dass er leicht zu hypnotisieren gewesen wäre, nein, es hatte einen anderen Grund. Er selbst war über Jahre hinweg in einem Kloster aufgewachsen. Man hatte ihm die geistigen Techniken beigebracht, die nötig waren, mit den Problemen des Lebens fertig zu werden.
Damals hatten ihm seine Lehrer vorgemacht, wie einfach es oft sein konnte, über einen anderen Menschen Gewalt zu bekommen, und wie leicht dieser Mensch dann zum Negativen hin manipulierbar war. Man konnte mit ihm machen, was man wollte. Diese Erfahrungen hatte Suko ebenfalls gemacht. Er war in die Geheimnisse eingeweiht worden, aber nicht so voll und ganz, als dass er sie hätte ausnutzen können.
Dieses Thema war nur am Rande angekratzt worden. Suko wusste heute, dass er selbst nicht in der Lage war, andere Menschen zu hypnotisieren. So weit war er damals nicht eingeweiht worden.
Außerdem hatte er vieles von dem vergessen, da er die Stille des Klosters mit der Hektik der Großstadt eingetauscht hatte. Das war in Hongkong so gewesen und hatte sich in Europa fortgesetzt.
Noch immer stellte sich der Inspektor die Frage, ob ihn das Schicksal oder der Zufall in die Spur dieses Lebens hineingetrieben hatte. Möglicherweise würde er irgendwann mal eine genaue Antwort bekommen. Bestimmt nicht in dieser Nacht, die immer diesiger wurde, nachdem er die Innenstadt hinter sich gelassen hatte und sich Belgravia näherte.
Er lebte lange genug in London, um sich in der Stadt einigermaßen auszukennen. Und so brauchte er nicht lange zu suchen, um sein Ziel zu finden. Zumindest die Straße, in die er seinen BMW lenkte. Sie war sehr ruhig, fast ausgestorben. Auch hier zogen dünne Schwaden durch die Luft. Es nieselte nicht mehr, aber die Feuchtigkeit hatte sich schon halten können. Er schaute sich die Hausfronten an, die grau, schemenhaft und manchmal durch das gelbe Licht der Lampen erhellt, an ihm vorbeihuschten wie Gebilde aus einer Spukgeschichte.
Er fuhr noch langsamer. Manche Häuser lagen hinter Hecken oder Mauern versteckt. Massige Bauten aus der Zeit der Queen Victoria. Wer sich dort einmietete, musste eine horrende Miete bezahlen, die sich oft nur die Botschaften einiger Länder leisten konnten.
Eine Mauer, ein Loch darin!
Suko hielt den Wagen an. Die beiden Wischer putzten ihm die Scheibe frei. Er hatte die richtige Adresse erreicht, denn das Nummernschild war an der Außenmauer angebracht und ließ sich auch im Dunkeln gut lesen.
Vergeblich suchte er nach einer Lichtquelle. Im Haus war nichts zu sehen, denn die Fenster lagen allesamt im Dunkeln. Auch die einsame Laterne gab keinen Schein, und so waren es nur die Scheinwerfer, an deren Licht sich Suko hätte orientieren können.
Darauf verzichtete er. Auf keinen Fall wollte er Aufsehen erregen. Im Dunkeln rollte der BMW auf das Grundstück. Suko fuhr langsam. Er bekam jede Schaukelbewegung des Fahrzeugs mit. Sein Blick war starr nach vorn gerichtet. Er rechnete damit, dass um das Haus herum versteckte Alarmanlagen angebracht worden waren.
Scheinwerfer, die plötzlich aufblitzten. Akustische Signale oder an verschiedenen Stellen aufgestellte Kameras, die ihn nicht aus ihren künstlichen Augen ließen.
Nichts davon trat ein.
Die Dunkelheit blieb. Er konnte so weit fahren wie er wollte, und es vergingen nur Sekunden, bis er neben dem Haus ein Fahrzeug sah, das ihm verdammt bekannt
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