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14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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englisch, und die Irländer halfen; Jacub schimpfte kurdisch, und ich hätte ihm helfen mögen. Aber das konnte keinen Nutzen bringen.
    „Wir müssen nach Beirut. Dort finden wir sicher ein Fahrzeug nach Stambul“, schlug ich vor.
    „Glaubst du wirklich, Herr?“ fragte Jacub Afarah.
    „Ich bin überzeugt davon.“
    „Aber du wolltest doch nach Jerusalem!“
    „Dazu ist auch später Zeit. Ich habe nicht eher Ruhe, als bis ich weiß, ob die Juwelen für dich verloren sind oder nicht.“
    Halef, mein kleiner Hadschi, fragte, ob ich ihn mitnehmen wolle. Das verstand sich ganz von selbst. Und daß Lindsay uns nicht allein reisen lassen werde, war ebenso gewiß. Jacub lohnte seinen Führer und den Pferdeverleiher ab; dasselbe tat auch der Engländer. Es wurden andere Führer und Tiere genommen, und am nächsten Morgen setzte sich der Zug in Bewegung.
    In der Hafenstadt angekommen, erfuhren wir, daß ein amerikanischer Schoner daliege, welcher nach Stambul fahren wolle. Wir sahen ihn uns an. Er war scharf auf dem Kiele gebaut und hatte Klippertakelage, war also ein guter Segler, dem man sich anvertrauen konnte, wenn man keine Scheu vor ein wenig Sturzsee hatte. Wir sprachen mit dem Capt'n und wurden mit ihm einig. Ade, ade, du stolzer Libanon! Diesmal bin ich achtlos an dir vorübergegangen. Ade also für ein anderes Mal! – – –

SIEBENTES KAPITEL
    In Stambul
    Da saßen zwei in einem Zimmer des Hotel de Pest in Pera, tranken den famosen Ruster, den ihnen der Wirt, Herr Totfaluschi, eingeschenkt hatte, rauchten dazu und langweilten sich entsetzlich, wie es schien.
    Sie sahen nicht gar sehr ‚geschniegelt und gebügelt‘ aus. Das Äußere des einen bestand in langen, starken Juchtenstiefel, einer braunen Hose, braunen Jacke, sonnverbranntem Gesicht und braunen Beduinen-Händen. Das Äußere des anderen war ‚grau in grau gemalt‘, die Nase ausgenommen, welche sich mit einem ausdauernden holden Erröten präsentierte. Sie tranken und rauchten, und rauchten und tranken in allertiefster Schweigsamkeit. War es wirklich aus Langeweile, oder trugen sie sich mit großen, weltbewegenden Gedanken, für welche die Sprache der Menschen glücklicherweise keinen passenden Ausdruck fand?
    Es schien das letztere der Fall zu sein, denn plötzlich öffnete der Graue den Mund, schüttelte die Nase und schloß die Augen; er konnte es nicht länger verhindern; einer seiner großen Gedanken befreite sich und riß sich los in den siegreich hervorgestoßenen Worten:
    „Master, was haltet Ihr von der orientalischen Frage?“
    „Daß sie nicht mit einem Frage-, sondern mit einem Ausrufezeichen zu markieren ist“, lautete die Antwort des Braunen.
    Der Graue tat seinen Mund wieder zu, riß die Augen auf und machte ein Gesicht, als habe er soeben einen Band von Keladis ‚Sprüche eines Weisen‘, Großfolio und in Schweinsleder gebunden, verschlingen müssen.
    Der Graue war Sir David Lindsay, und der Braune, der war ich. Ich habe mich niemals leidenschaftlich mit Politik beschäftigt, und die orientalische Frage ist mir gar ein Greuel. Wer sie erst definieren kann, der mag sie danach lösen. Sie und der sogenannte ‚kranke Mann‘ haben mich selbst in der lebhaftesten Gesellschaft zum sofortigen Schweigen gebracht. Ich habe nicht politische Medizin studiert und kann also nicht sagen, an welcher Krankheit dieser Mann leidet; aber ich meine sehr, daß grad ganz in seiner Nähe Zustände herrschen, welche ich nicht gesund nennen möchte.
    Der Türke ist ein Mensch, und einen Menschen macht man nicht damit gesund, daß die Nachbarn sich um sein Lager stellen und mit Säbeln ein Stück nach dem anderen von seinem Leib hacken, sie, die sie Christen sind. Einen kranken Mann macht man nicht tot, sondern man macht ihn gesund, denn er hat ein ebenso heiliges Recht, zu leben, wie jeder andere. Man entzieht seinem Körper die Krankheitsstoffe, welche ihm schädlich sind, und reicht ihm dagegen ein Mittel, welches ihn heilt und wieder zu einem leistungsfähigen Menschen macht. Der Türke war einst ein zwar rauher, aber wackerer Nomad, ein ehrlicher, gutmütiger Gesell, der gern einem jeden gab, was ihm gehörte, sich aber auch etwas. Da wurde seine einfache Seele umsponnen von dem gefährlichen Gewebe islamitischer Phantastereien, Lügen und Widersprüche; er verlor die Klarheit seines ja sonst schon ungeübten Urteils, wollte sich gern zurecht finden und wickelte sich desto tiefer hinein. Da ward der bärbeißige Gesell zornig, zornig gegen

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