140 - Im Land der Feuerdrachen
die täglich transportierten Informationen angeregt, neue Szenarios ab.
Im Laufe der Zeit hatte Thgáan immer mehr Eigeninitiative entwickelt. Er hatte Aufgaben an sich herangezogen, für die er nicht bestimmt war, und er analysierte Dinge, die ihn nichts angingen.
Gefühle, zum Beispiel.
Eine der Empfindungen, die seit einiger Zeit von ihm Besitz ergriffen hatte, hieß Neid. Er war zum Beispiel neidisch darauf gewesen, dass Anderen Aufgaben übertragen wurden, die ihm zustanden. Die Kommunikation zu den Wesen dritter und vierter Ordnung etwa, die am Rande des Stammesgebietes wichtige Arbeiten ausführten.
Statt ihm den Kontakt zu übertragen, lief er über fremde Frequenzen, die Thgáan nicht wahrnehmen konnte. Er hatte in die Kommunikation des Sols hineingehört, um den Grund für diese Fehlzüchtungen zu erfahren. Dabei hatte er erfahren, dass diese neuen Wahrnehmungsbereiche kein Fehler waren.
Sicherheit durch Streuung, hieß das Motto, das Thgáan nicht verstand. Er war fehlerlos und unangreifbar, warum wurden ihm also nicht so viele neue Aufgaben wie möglich übertragen?
Zorn durchströmte sein Nervensystem. Noch so eine Emotion, die er geheim halten musste.
Ortung, erreichte ihn der Rapport einer Patrouille. Wesen dritter Ordnung verlässt den zugewiesenen Bereich.
Grund?, verlangte Thgáan zu wissen.
Ortung, meldete derselbe Lesh’iye. Vermutlich wegen zwei Primärrassenvertetern, genaue Bestimmung auf diese Distanz nicht möglich. Bitte um Ausweitung des Einsatzgebietes.
Verwehrt, antwortete Thgáan ohne nähere Erklärung.
Der Lesh’iye gehorchte, ohne Fragen zu stellen. Das war gut so. Er hätte sowieso nicht verstanden, welche Genugtuung es bereitete, die zu Unrecht Bevorzugten straucheln zu lassen.
Das Wesen dritter Ordnung, das seinen Platz verließ, wurde in einen Kampf verwickelt. Wenn es dabei eliminiert worden wäre, hätte Thgáan Freude gespürt. Dass es verletzt wieder zurückkehrte, war aber noch besser. Denn so mussten weder der Sol noch ein anderer Daa’mure davon erfahren.
Thgáan gefiel es jeden Tag immer mehr, Geheimnisse zu haben.
***
Bucht von Tokio
»Ihr seid mit einem Lavadrachen aneinander geraten?«
Naoki schlug beide Hände vor die Stirn. »Das darf doch wohl nicht wahr sein! Ich halte mich hier völlig bedeckt, um den Daa’muren auf keinen Fall aufzufallen, und mein Herr Sohn versenkt einen Gleiter im Kratersee. Warum hast du nicht gleich Leuchtraketen abgeschossen, um auf dich aufmerksam zu machen?«
Angesichts ihrer durchweichten Kleidung, an der noch die eine oder andere Alge hing, wirkten Matt und Aiko wie zwei Schuljungen, die zum Rapport bestellt wurden. Mehrere Personen in der Umgebung grinsten. Nur die Nosfera Blair schien wütend, weil ihre Freunde gemaßregelt wurden.
»Wir waren nicht im Kratersee«, korrigierte Matt, um die Aufregung zu dämpfen. »Der Gleiter ging in der Meerenge zwischen Kore und Nipoo auf Grund.«
»Das ist doch völlig unerheblich«, begehrte Naoki auf.
»Ist es nicht«, fuhr Aiko sie an. »Die Evakuierung ist nicht die einzige Priorität. Wir sind es der Menschheit schuldig, dem Auslöser dieser ganzen Misere auf die Spur zu kommen. Dabei sind Matt und ich äußerst vorsichtig vorgegangen und haben eine sorgfältig abgestufte Aktion durchgeführt, die von Erfolg gekrönt war. Wir haben so einiges herausgefunden, ohne dass die Todesrochen auf uns aufmerksam geworden sind.«
»Das ist doch jetzt der reine Trotz.« Naoki schnaufte verächtlich.
»Ist es nicht«, beharrte ihr Sohn. »Ich habe alle Vor- und Nachteile abgewogen und eine auf Logik basierende Entscheidung getroffen. Zu etwas anderem bin ich gar nicht fähig! Niemand weiß das besser als du!«
Naoki wich zurück, als hätte sie einen Schlag ins Gesicht bekommen. Matt verstand nicht, warum. So gut war Aikos Argumentationskette nun auch wieder nicht.
»Wir haben jetzt keine Zeit, um zu streiten«, wich die Wissenschaftlerin hastig aus. »Die Evakuierung ist schon in vollem Gange.« Sie deutete zum Hafen, wo bereits die ersten mit Menschen voll gepferchten Schiffe ablegten. An den Anlegestegen drängten sich weiterhin Hunderte von Männern, Frauen und Kindern, die auf eine sichere Passage hofften. Und der Flüchtlingsstrom aus den umliegenden Bergen riss immer noch nicht ab.
»Ich brauche dringend ein paar Helfer mit Organisationstalent«, fuhr Naoki fort. »An den Kais geht bald alles drunter und drüber. Die Leute geraten langsam in Panik. Die Meldung des
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