1401 - Das Blutversprechen
unserem Klostergarten.«
»Oh, den gibt es auch?«
»Natürlich, Sophia. Wir sind ein richtiges Kloster. Der Garten gehört dazu. Er ist nicht nur ein Ort der Ruhe und der künstlichen Wege, sondern es gibt auch Äcker, auf dem Früchte wachsen, die wir später zu ernten gedenken.«
»Das klingt alles so wunderbar.«
»Und das ist es auch, glaub mir.« Godwin war bis zur Tür gegangen und hielt sie ihr auf.
Sophia lächelte und nickte, als sie an ihm vorbeischritt. Sie machte einen sehr zufriedenen Eindruck. Sie hatte viel gesprochen und ebenso viel erfahren. Genau das tat ihr gut. Je mehr Informationen sie erhielt, umso besser war es, und sie war sich hundertprozentig sicher, dass sie den richtigen Weg beschritten hatte. Wenn sie sich vorstellte, bald vor den Gebeinen zu stehen, verspürte sie so etwas wie einen heiligen Schauer.
Godwin de Salier verließ hinter ihr das Zimmer. Er war sehr nachdenklich geworden und machte den Eindruck eines Menschen, der das, was er gehört hatte, zunächst mal verdauen musste. Er dachte daran, dass möglicherweise eine andere Zeit für ihn, das Kloster und auch für die Templer angebrochen war. Die Frau sah ihre Bestimmung darin, bei ihnen zu bleiben. Eine Sophia Blanc, deren Vorname ebenso eine mystische Bedeutung besaß wie auch ihre Herkunft. Es gab für ihn zwar keinen hundertprozentigen Beweis, aber warum sollte sie nicht wiedergeboren sein? Bei seinem Freund Sinclair war das ebenfalls so gewesen, und er hatte nicht nur einmal gelebt. Er war der bisher Letzte in der Kette der Kreuzträger und…
»Er ist wirklich etwas ganz Außergewöhnliches.«
Godwin de Salier schrak leicht zusammen, als er die Stimme seiner Besucherin hörte.
»Wen meinst du?«
»Den Sessel.«
»Ja, das ist wohl wahr. Er ist ein ganz besonderes Möbelstück, wenn man das so sagen darf.«
Sophia nickte nur. Ansonsten bewegte sie sich nicht. Sie hielt den Blick fest auf den Knochensessel gerichtet. Auf ihrem Rücken spürte sie das seltsame Prickeln, aus dem eine Gänsehaut wurde. Sie schüttelte beim Betrachten des Sessels einige Male den Kopf, weil sie etwas spürte, das sie nicht fassen konnte. Der Sessel wirkte auf sie wie ein Magnet. Dabei glaubte sie, der Gegenstand zu sein, der von ihm angezogen wurde.
Godwin fiel auf, dass mit seiner Besucherin etwas nicht stimmte.
Er legte ihr einen Arm auf die Schulter und spürte unter dem Stoff das leichte Zittern.
»Was ist mit dir?«
Sophia zögerte mit der Antwort. »Ich kann es dir nicht ganz genau sagen, aber es liegt am Sessel.«
»Was liegt daran?«
»Da ist etwas«, flüsterte sie. »Ich kann es nicht erklären, aber da kommt etwas auf mich zu, glaube ich. Der Sessel hat es in sich, und das im wahrsten Sinne des Wortes.«
»Spürst du denn was?«
»Ja.«
»Und was genau?«
»Ich kann es nicht genau sagen. Es ist nicht schlecht, es ist nicht gut. Es ist irgendwie anders. Ich würde sogar von einem kleinen Wunder sprechen. Ja, so ähnlich.«
»Da würdest du nicht verkehrt liegen.«
»Ich mag ihn. Er mag mich auch.« Sie lächelte plötzlich. »Ich fühle mich von ihm angezogen. Es ist, als wollte er mich locken.« Sie drehte den Kopf und schaute Godwin von der Seite her an. »Was hat es mit ihm auf sich, Godwin?«
»Er ist ein wichtiges Überbleibsel der Templer aus alter Zeit. Es sind die Reste des Körpers, der im Jahre 1314 auf der Ile de la Cite in Paris verbrannt wurde.«
Mit ihrer Antwort bewies Sophia, dass sie sich gut auskannte.
»Hast du von Jacques de Molay gesprochen?«
»Genau das habe ich.«
Sie schluckte und nickte dann. »Ja, ich weiß, dass man ihn verbrannte. Es hat damals die aufregenden Prozesse gegeben. Templer sollten abschwören, sie sollten widerrufen und sich verleugnen. Sie sollten auch gewisse Taten zugeben, die man ihnen in die Schuhe schob. Das hat Molay getan, später aber widerrufen. Er hat aus taktischen Gründen gewisse Geständnisse unterschrieben, um seine Freunde zu retten. Später sah er das anders, aber da war es für ihn zu spät.« Sie deutete nach vorn. »Und das ist nun der Rest. Der wohlgeformte, kann man sagen.«
»Es stimmt.«
»Und wie bist du an ihn herangekommen?«
»Durch einen Zufall…«
»Ach!«
Godwin nickte. »Ja, das musst du mir glauben. Es ist wirklich ein Zufall gewesen. Ein Freund hat ihn in New York ersteigert. Er ist von ihm fasziniert gewesen, aber wusste nicht, wohin mit dem Knochensessel. Nach und nach erfuhr er das Geheimnis, und man kam überein, dass der
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