1408 - Der Totenholer
sagte Suko.
Sir James nickte. »Das ist eine Möglichkeit. Aber etwas anderes: Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, warum sich dieser Unmensch Tote holt? Was kann er mit ihnen vorhaben?«
Ich sprach für Suko gleich mit. »Das wissen wir leider nicht, Sir. Wir haben schon an Ghouls gedacht…«
»Nein!«
»Man kann nichts ausschießen.«
»Das wäre ja grauenhaft.«
»Egal wie, wir müssen ihn so schnell wie möglich fassen. Ich wollte gerade die Fahndung mach dem Ford wieder ankurbeln. Kann sein, dass wir durch ihn an den Besitzer herankommen.«
»Möglich ist es. Aber das überlassen Sie am besten mir. Ich bin dafür, dass Sie dem Ehepaar Melrose einen Besuch abstatten. Die Anschrift habe ich Ihnen aufgeschrieben.«
Er reichte mir einen Zettel. Ich warf einen Blick darauf und schüttelte sofort den Kopf.
»Ist was?«
»Sir, es kann sich auch um einen Zufall handeln, aber wenn ich richtig informiert bin, dann leben die beiden in einer Gegend, in der wir diesen Unhold gejagt haben. Etwas nordwestlich von London, wo man schon vom flachen Land sprechen kann.«
Die Augen hinter den Brillengläsern weiteten sich. »Nein, John, nein – das kann kein Zufall sein.« Er nahm die Brille ab, putze sie und sprach dann weiter. »Ich habe noch in Erfahrung bringen können, dass noch mehr Leichen geraubt wurden. Ich habe heute Morgen bereits einiges in Bewegung gesetzt. Es gibt tatsächlich jemanden, der scharf auf Leichen ist und das sogar im Internet ankündigt.« Sein Atmen glich mehr einem Schnaufen, er setzte sich die Brille wieder auf die Nase. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diesen Unmenschen so schnell wie möglich fangen.«
»Das hatten wir vor, Sir.«
»Gut. Sie halten mich auf dem Laufenden. Und ich werde die Fahndung nach dem dunklen Ford ankurbeln.«
»Das ist gut.«
Unser Chef verließ das Büro. Suko sprach mich über den Schreibtisch hinweg an.
»Es konzentriert sich alles auf ein bestimmte Gegend. Da sollte es doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir keinen Erfolg haben.«
»Lass den Teufel lieber aus dem Spiel.«
»Wie du willst.«
Wir standen auf. Keiner von uns war fröhlich. Es würde nicht einfach werden, den Leichenholer zu stellen, und wenn ich dabei an die verdammte Säbelklaue dachte, rann es mir kalt den Rücken hinab…
***
Am Tag sah alles anders aus. Auch wenn am Himmel eine Schicht aus Wolken die Sonne verdeckte, war das Bild mit dem der Nacht nicht zu vergleichen.
Wir bewegten uns in der Nähe von St. Albans und schon außerhalb des Autobahnrings, der London in einem großen Kreis umschloss. Die Anschrift, die Sir James notiert hatte, lag außerhalb der Ortschaft St. Albans. Wir fuhren über eine schmale Straße, die an zwei Seiten von noch kahlen Bäumen flankiert wurde, und von dieser Straße aus mussten wir abbiegen, um das Haus der Familie Melrose zu erreichen.
Es war ein kleiner Bau aus rötlichem Stein. Teilweise waren die Mauern mit Efeu überwuchert. Wir hatten den Rover an der Straße stehen gelassen und gingen über einen schmalen Weg auf das Haus zu. Der führte durch einen Vorgarten, der sein winterliches Aussehen noch nicht verloren hatte.
Man hatte uns bereits gesehen. Ein Mann trat durch die Haustür.
Er hatte ein Handy gegen sein Ohr gedrückt und telefonierte. Dabei sprach er recht laut, sodass wir zwangsläufig mithörten.
»Verdammt nach mal, Lester, es eilt! Unsere Scheibe ist völlig zerstört. Warum kannst du erst morgen kommen? Das hier ist ein Notfall, verstehst du?«
Er hörte sich die Antwort an, mit der er offensichtlich nicht zufrieden war. Nach einem Fluch schaltete er den Apparat ab und schaute uns starr ins die Gesichter.
Vom Alter her lag der Mann zwischen fünfzig und sechzig. Das grauschwarze Haar war nicht gekämmt, und wer in sein Gesicht schaute, der sah die Falten in der Haut und die dunklen Ringe unter den Augen, die auf nicht eben fröhliche Erlebnisse schließen liegen.
Bekleidet war er mit einer dunkelgrünen Strickjacke, einer schwarzen Hose und einem karierten Hemd, über dem sich Hosenträger spannten.
Sein Blick wurde etwas freundlicher. Er schien zu ahnen, wer ihn da besuchte.
»Polizei?«
»Scotland Yard«, sagte Suko.
»Oh.«
»Wollen Sie unsere Ausweise sehen?«
»Nein, das ist nicht nötig. Ich habe einen Blick für Menschen. Aber ich finde es toll, dass man so auf meinen Anruf reagiert hat. Eigentlich habe ich mir gar keine Hoffnung gemacht.«
»Es ist ja auch ein außergewöhnlicher Fall.«
»Das sagen
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