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143 - Rulfan von Coellen

143 - Rulfan von Coellen

Titel: 143 - Rulfan von Coellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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angewiesen.
    Rulfan dolmetschte für den Grandlord. »Wassn füane Kwankheit?«, fragte der. Rulfan übersetzte die Frage in den altdeutschen Dialekt des Dysdoorer Hauptmanns.
    »Gute Frage, sag ich, wirklich gute Frage.« Haynz blickte zu den Männern und Frauen vor den Pfahlhütten. »Passt auf, ich zeig euch, was für eine Krankheit der gute Haynz sich seit Monaten erfolgreich von seinem Hals hält. Ich zeig’s euch, passt auf!«
    Er packte die hohen Räder seines Rollstuhls und bewegte das Gerät näher an die Steuerbordreling. Dort begann er zu winken. »Kommt!«, schrie er. »Du und du und du und du! Kommt zu mir aufs Boot, sag ich!«
    Drei Männer und eine Frau setzten sich in Bewegung.
    Schwerfällig stelzten sie zu dem Laufsteg, der das Ufer mit Haynz’ Hausboot verband.
    Haynz drehte sich nach Rulfan und Paacival um.
    »Achtung.« Er zwinkerte. »Aufgepasst. Gleich geht’s los.«
    Nacheinander kamen die Aufgerufenen an Bord, die Frau als Letzte. Sie brachten Früchte, Getreidefladen und ein Stück Braten mit. »Mundschutz! Das Essen aufn Tisch!«, befahl der Hauptmann. Sie banden sich Tücher vor Mund und Nase und legten die Speisen auf einen Tisch am Bug.
    »Niederknien, Gruß!«, herrschte der Hauptmann sie an. Die Vier fielen auf die Knie, verbeugten sich bis auf den Boden und murmelten allerhand Glück- und Segenswünsche.
    »Du und du! Kopfstand!«, blaffte Haynz. Die zwei Angesprochenen mühten sich ab, um ihre Körper auf den Köpfen aufzurichten. Der Ältere schien geübt zu haben, denn es gelang ihm für fast eine Minute, der Jüngere jedoch beherrschte den Kopfstand nicht, bekam nicht einmal die Füße von den Planken hoch.
    »Verhauen!«, befahl Haynz der Frau. Die schlug den armen Kerl mit der flachen Hand auf den Hintern. »Auf die Reling! Singen! Das Lied vom Hauptmann Haynz!«
    Alle vier kletterten sie auf die Reling, balancierten freihändig und sangen ein Lied, in welchem der »größte Hauptmann aller Zeiten« gepriesen wurde. Es klang nicht einmal schlecht. Nur verlor einer der Männer das Gleichgewicht und stürzte in den Rhein. Zur Strafe befahl ihm Haynz zehn Runden um das Hausboot und den Einmaster zu schwimmen. Die anderen drei mussten auf allen Vieren über Deck krabbeln und bellen wie Hunde, woran Haynz und Chira große Freude hatten.
    »Es ist genug, Hauptmann Haynz«, sagte Rulfan. »Lass es gut sein – du demütigst diese Leute.«
    »Na und? Sie sind krank, sie spüren nix, keine Demütigung, nix! Tun einfach, was ich sage! Geister haben sich bei ihnen eingeschlichen und beherrschen sie, verstehst du, Rulfan von Coellen? Das ist ihre Krankheit, die Geister!« Er rümpfte die Nase. »Sie müssen sich Mund und Nase zubinden, wenn sie zu mir kommen, damit die Geister nicht aus ihnen heraus und in mich hinein schlüpfen können. So was tun Geister nämlich gern, das weißt du doch, oder? Schlimme Geister, sag ich. Sie lähmen ihren Willen, und meine Dysdoorer müssen alles tun, was man ihnen sagt! Probier es aus!«
    »Das ist nicht nötig, Hauptmann.« Rulfan hatte die steifen Bewegungen der Leute und ihre ausdruckslosen Gesichter gesehen. Er wusste längst, was mit ihnen los war. »Und dass du dich über die Speisen mit ihren Geistern anstecken könntest, fürchtest du überhaupt nicht?« Er deutete auf den Tisch, wo die Mitbringsel der armen Dysdoorer sich stapelten.
    »Geister sollen in Wakudahaxen und Äpfeln hocken?«
    Haynz verdrehte die Augen. »Was du redest, Rulfan von Coellen, was du wieder redest!«
    Rulfan winkte ab. »Was sind das für Frauen, von denen du sagtest, sie seien nicht krank?«
    »Ankela und Suse? Ankela bringt mir guten Tee, und Suse bringt mir…« Er grinste verlegen. »Nun ja, Rulfan von Coellen, was soll ich sagen? Bringt mir eine Menge Süßigkeiten, wenn du weißt, was ich meine…«
    Während Paacival dem erschöpften Schwimmer auf den Laufsteg half, fragte Rulfan den Hauptmann aus. Schnell erfuhr er, was er wissen musste: Eine Frau namens Suse versuchte Haynz durch den Austausch von Körperflüssigkeiten mit dem Cerebralvirus der Daa’muren anzustecken, und eine Frau namens Ankela schien ein pflanzliches Mittel zu kennen, das den Virus ausschaltete oder doch zumindest in seiner Wirkung entscheidend hemmen konnte.
    Rulfan roch an der Kanne mit dem Tee. »Weißt du, woraus sie den Tee zubereitet?«
    »Bin ich Köchin?« Haynz gestikulierte abwehrend. »Bin ich Heiler?«
    »Dann schick ein paar Leute nach dieser Frau aus«, sagte Rulfan. »Ich

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