1491 - Im Schloss der Hexen
seufzte. »Aber was tut man nicht alles für ein geliebtes Wesen.«
»Oh, danke sehr. Das finde ich toll. Ich bin also dein geliebtes Wesen.« Dagmars grüne Augen strahlten. Sie gab Harry einen schnellen Kuss. »Dann sollten sich zwei geliebte Wesen weiterhin zusammentun und über den Markt schlendern.«
»Ähm – schlendern?«
»Ja.«
»Warum sagst du nicht schieben?«
»Egal, komm.« Dagmar hakte sich bei Harry ein und zog ihn weiter. Ihre Tour über den Markt hatten sie hinter sich. Dagmar hatte einige Kleinigkeiten für den Weihnachtsbaum besorgt. Zumeist farbiges Holzspielzeug, das bald an den Zweigen wippen sollte. Sogar einen herrlich kitschigen Engel hatte sie gekauft. Er sollte als Höhepunkt die Spitze des Tannenbaums krönen.
Die Rostbratwürste hatten sie ebenfalls schon gegessen. Wie immer hatten sie herrlich geschmeckt, ebenso wie das Kraut dazu. Was fehlte noch?
Glühwein!
Harry Stahl dachte daran, aber Dagmar sprach es aus. »Ich denke, wir sollten unseren Durst mit etwas Heißem löschen.«
»Glühwein?«
Dagmar nickte. »Richtig.«
Harry leckte über seine Lippen. »Wenn du mich fragst, dann würde ich lieber ein anständiges Bier trinken. Ein Lagerbier oder so. Ist das okay?«
»Auf dem Markt?«
»Wo sonst?«
Dagmar rieb ihre Hände. Es war doch empfindlich kühl geworden.
»Es gibt hier keine Bierstände. Wenn du Bier trinken willst, musst du in die Kneipen, und die sind mehr als voll. Das konntest du sehen, als du einen Blick durch die Scheiben geworfen hast.«
»Stimmt. Hatte ich ganz vergessen.«
»Glühwein?« fragte Dagmar.
»Okay, auch wenn mir schon jetzt der Geruch auf den Wecker geht. Drängen wir uns an den Stand.«
»Wir sollten uns erst einen Platz an einem Stehtisch suchen.«
»Okay, tu das. Ich hole dann den Glühwein.«
»Gut.«
Niemand musste weit laufen, wenn er einen Glühweinstand suchte. Ein knapper Rundblick reichte aus, und man wusste Bescheid.
Die Stände waren wie kleine Häuser gebaut, eigentlich recht groß, aber was sich um sie herumdrängte, war schon ein internationales Publikum.
Die Gäste sprachen Englisch, Französisch und Niederländisch, auch Russisch kam hinzu und die Sprachen des Balkans. Der Glühwein war eben international.
Dagmar hatte einen freien Platz an einem Tisch entdeckt, während sich Harry dem Stand näherte und sich erst mal in die Schlange stellen musste.
Er drehte seiner Partnerin den Rücken zu. So sah er nicht das Lächeln, das auf ihren Lippen lag. Mochten die einen schimpfen, so viel sie wollten, ihr gefiel der Trubel. Wenn es ihre Zeit erlaubte, wollte sie einmal im Jahr auf den berühmten Christkindlmarkt, auch wenn er noch so voll und verstopft war.
Eigentlich hätte der Markt ein Paradies für Kinder sein müssen.
Aber Kinder sind nun mal klein, und bei dieser Masse von Menschen sahen sie so gut wie nichts außer die Menschen um sich herum.
Dagmar wartete darauf, dass Harry zurückkehrte, zwei Becher mit Glühwein balancierend und über den Betrieb schimpfend.
Neben ihr standen Engländer. Sie kamen aus Ipswich, wie Dagmar ihren Gesprächen entnahm. Zwei Paare, die sich freuten, hier in Nürnberg zu sein. Sie wollten noch weiterreisen. Nach München und zum Abschluss nach Wien. Für Salzburg reichte die Zeit nicht mehr, und auch nach Dresden wären sie noch gern gefahren. Diese Reise wollten sie dann im nächsten Jahr in die Tat umsetzen.
Dagmar mischte sich nicht in die Gespräche ein. Sie lächelte still vor sich hin. Obwohl der Stand praktisch zum Greifen nahe lag, war von Harry nichts zu sehen. Bis sie seine Stimme hörte und er sich immer entschuldigte, wenn er mit seinen vollen Bechern an den im Weg stehenden Menschen vorbei wollte.
Endlich hatte Harry es geschafft. Er stellte die beiden Gläser auf die dicke Holzplatte des runden Tisches und blies den Atem aus.
Dagmar sah kleine Schweißperlen auf seiner Stirn schimmern.
»Das war Schwerstarbeit.«
»Glaube ich dir. Umso besser wird es dir schmecken.«
»Na, ich hoffe es. Wir können ja eine Flasche mitnehmen, wenn er besonders gut ist.«
»Nein, das nicht.« Dagmar tippte ihn an. »Glühwein schmeckt am besten auf dem Weihnachtsmarkt. Alles andere kannst du vergessen.« Sie hob ihren Becher an. »Prost! Auf dich!«
»Und auf dich!«
Das Getränk war heiß, fast kochend. Über der Oberfläche schwebte der Dampf wie feiner Nebel. Beide mussten pusten, bevor sie die ersten Schlucke nahmen und sich danach anschauten.
»Und? Was sagst du?«
Weitere Kostenlose Bücher