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1516 - Totenlichter

1516 - Totenlichter

Titel: 1516 - Totenlichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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zu schnelles Eingreifen kann durchaus Probleme bringen, und die wollen wir alle nicht.«
    »Ja, das verstehe ich.«
    »Aber die Kirche wird wohl die richtige Spur sein, Uwe. Danke für den Anruf. Wir sehen uns später.«
    Es war alles gesagt worden. Ich unterbrach die Verbindung und schaute Harry Stahl an.
    »Du brauchst mir nichts zu sagen, John. Ich kann mitdenken, wo man die Jungen gesehen hat.«
    »Genau.«
    Wieder eilte die Zeit. Und erneut hofften wir, nicht zu spät zu kommen…
    ***
    »Hast du Angst, Igel?«
    »Ja, und wie.«
    »Ich auch.«
    Die flüsternd geführte Unterhaltung der Jungen verstummte. Es wäre unnormal gewesen, wenn sie keine Angst gehabt hätten, denn in ihrem Leben war nichts mehr normal. Sie befanden sich in der Kirche, aber sie saßen nicht in den Bänken, sondern lagen auf dem kalten Steinboden vor dem Altar. Zudem waren sie gefesselt worden. Ein braunes Klebeband hielt die Hände auf dem Rücken zusammen. Ihre Schmerzen konzentrierten sich auf den Kopf, dort hatten die Schläge sie getroffen und zu Boden geschickt wie einen Boxer, der den K.-o.-Schlag erhalten hatte.
    Florian und Moritz kannten ihre Kirche. Sie wussten auch, dass sie bei Tageslicht nie besonders hell war. Manche Menschen bezeichneten sie sogar als eine düstere Höhle, doch das störte die Jungen nicht. Sie hatten sich hier immer wohl gefühlt, aber an diesem Nachmittag hatte sich auch äußerlich etwas verändert.
    Es brannten bereits die Totenlichter!
    Die Kerzen standen in kleinen Gefäßen, deren Glaswände sie schützten.
    Es war schwer für die Jungen, einen klaren Gedanken zu fassen. Die Schläge hatten sie jeweils unter dem Kinn erwischt. Da war zwar nichts gebrochen, aber ein Stechen blieb schon im Schädel zurück, und sie hatten beide ein taubes Gefühl in der Kinngegend.
    Sie lagen nicht auf ihren Händen, denn die waren vor dem Körper gefesselt worden. Die breiten, braunen Klebestreifen hielten sie dicht zusammen. Es gab keine Chance für die Jungen, sie zu lösen, das hatten sie bereits versucht, und so blieb ihnen nichts anderes übrig, als auf ihr Schicksal zu warten.
    Sie lagen dicht nebeneinander und sahen sich, wenn sie die Köpfe zueinander drehten. Das hatten sie einige Male getan, um miteinander zu reden, doch keiner hatte dem anderen Mut geben können. Ihre Lage war echt bescheiden.
    Florian Thamm kam etwas in den Sinn, das er unbedingt loswerden wollte. »Der hat den Pfarrer getötet.«
    »Ja, ich weiß.«
    »Den Pfarrer!«, flüsterte Florian. »Wer kann nur so schrecklich sein? Einen Geistlichen umzubringen! So etwas hätte ich mir niemals vorstellen können.«
    »Das ist ein Tier«, flüsterte Moritz.
    »Und warum tut er das? Der Pfarrer hat ihm doch bestimmt nichts getan. Er war immer klasse.«
    »Das weiß doch der Mörder nicht.«
    »Doch, Moritz, das weiß er. Der Typ kennt ihn doch. Er kennt ihn ebenso wie uns.«
    »Stimmt.«
    Florian wollte noch etwas sagen, dazu kam er nicht mehr, denn es ereignete sich etwas, vor dem sie schon die ganze Zeit Furcht hatten, das aber auf sie zukommen würde und nun kam.
    Schritte!
    Nicht unbedingt laut. Der Geher versuchte, die Geräusche in Grenzen zu halten. Die Echos waren noch weiter entfernt, sie kamen aber mit jeder Sekunde, die verstrich, näher. Und sie waren an der Kopfseite der Gefesselten aufgeklungen, sodass keiner von ihnen den Ankömmling sah. Die Jungen wussten jedoch, wer dieser Mensch war. Das musste einfach der Killer sein.
    Er schlich heran. Sein Schatten tauchte an Florians rechter Seite auf.
    Dort bewegte er sich weiter und blieb vor den Jungen stehen, nicht weit von ihren Füßen entfernt, damit sie ihn anschauen konnten, ohne den Kopf heben zu müssen.
    Er hatte sich verändert. Er war zu der Gestalt geworden, die sie auch in der Nacht erlebt hatten. Ein Mensch, der sich eine dunkle Kutte übergestreift hatte. Die Kapuze hatte er über den Kopf gezogen, aber diesmal blieb das Gesicht frei, denn der obere Rand berührte nur die Stirn.
    Der Mann sagte nichts. Er schaute nur, und nach einer Weile, als nur das heftige Atmen der beiden Gefesselten zu hören war, verzog er die Lippen zu einem Lächeln.
    »Habt ihr die Lichter gesehen? Sie brennen bereits für euch. Es sind die Totenlichter. Sie werden euch auf eurem neuen Weg begleiten. Aber ihr braucht keine Angst zu haben, ihr seid nur kleine Sünder. Die großen sind andere.«
    »Bitte«, flüsterte Moritz, »was soll das? Wir haben nichts getan, gar nichts.«
    »Ich sehe das anders.

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