1537 - Der Schlafwandler
Zeugen. Sie hatten einen Mann und eine Frau gesehen.
Die Frau kannte sie jetzt, der Mann war ihr noch unbekannt, aber sie rechnete damit, auch ihn bald zu sehen.
»Welche Regeln sind das?«, fragte sie.
»Du wirst es sehen.«
»Kommt dein Partner her?«
»Ja.«
»Und dann?«
»Wird er dich holen.«
Glenda Perkins lachte scharf auf. »Ich habe nicht die Absicht, Selbstmord zu begehen, das muss ich dir sagen. Bei mir wird er Pech haben.«
Angel senkte den Blick und lächelte mokant. »Es wird dir wohl nichts anderes übrig bleiben. Du hast dich sehr weit vorgewagt. Zu weit, und wir wollen nicht, dass jemand unseren Weg kreuzt, den wir nicht mögen. Ich habe meine Augen überall. Ich kann sehen, was sich zusammenbraut, und so bin ich auf dich gekommen. Du bist eine Zeugin, die ich nicht akzeptieren kann, und deshalb wirst du den Weg gehen, den wir uns für dich ausgesucht haben.«
Glenda wollte eine Antwort geben, aber schon das erste Wort wurde ihr von den Lippen gerissen. Daran war nicht Angel schuld. Es war das knappe Klopfen an der Tür, und einen Augenblick später wurde sie nach innen gedrückt.
Ein Mann betrat das Geschäft.
Auch er trug einen Mantel. Er war größer als Angel. Sein Haar zeigte beinahe den gleichen Schnitt. Es war hellblond gefärbt, und der Mann machte den Eindruck eines Schauspielers, der seinen Auftritt genoss.
Einen Schritt weit musste er in die Boutique hineingehen, damit die Tür zufallen konnte.
Dann blieb er stehen.
Angel brauchte ihn Glenda nicht erst vorzustellen. Sie wusste, dass sie Karel Sorbas, den Schlafwandler, vor sich hatte…
***
Sheila Conolly wusste auch nicht, warum sie den Vorhang ganz zugezogen hatte. Es war eben so, und sie konnte sich innerhalb des kleinen Büros unbeobachtet bewegen, denn genau das wollte sie. Sie wusste nicht, was sie finden würde, aber sie war sich irgendwie sicher, dass sie etwas finden würde.
Der Raum war klein. Er hatte auch kein Fenster. Schmale Heizungsrippen gaben eine schon ungesunde Wärme ab, aber darum konnte sich Sheila nicht kümmern. Für sie war der Schreibtisch wichtiger und die beiden schmalen Rollschränke, die an der Rückseite standen und leider verschlossen waren. Deshalb musste sie erst nach den Schlüsseln suchen und nahm sich zunächst den Schreibtisch vor, der aus einer Kunststoffplatte mit vier Metallbeinen bestand. Unter ihm war noch Platz für einen Metallwürfel auf vier Rollen. Der Würfel war mit drei Schubladen bestückt, und Sheila hoffte, dass sie dort mehr Hinweise auf Deborahs Schicksal finden würde.
Um sich nicht bücken zu müssen, nahm sie auf dem Rollstuhl Platz. Sie glitt etwas zurück. Die erste Schublade war leer. In der zweiten fand sie einen Laptop, den sie herausnahm und auf den Schreibtisch stellte.
Wenn sie auf ihm Informationen fand, die sich nur um geschäftliche Belange drehten, hatte sie Pech gehabt. Sollte es anders sein, hatte sich der Besuch schon gelohnt.
In ihrer Umgebung war es nicht nur warm, sondern auch still.
Genau das änderte sich jetzt. Der Vorhang war zwar geschlossen, nur hatte er nicht die Funktion einer Tür. Er dämpfte eine Stimme so gut wie kaum, und deshalb hörte Sheila Glenda Perkins auch sprechen. Sie ging davon aus, dass Glenda nicht mit sich allein redete, und deshalb war ihre Neugierde geweckt.
Kaum hatte sie sich von ihrem Platz erhoben, da vernahm sie bereits die andere Stimme.
Sie gehörte einer Frau!
Das war nichts Außergewöhnliches und bei einer Boutique normal. Es war vielleicht eine Kundin, die das Schild nicht gesehen hatte, aber das traf nicht zu, denn die Stimmen blieben. Eine Kundin hätte Glenda sicherlich weggeschickt. Also musste sie Besuch von einer anderen Person bekommen haben.
Das Büro war für Sheila Conolly plötzlich unwichtig geworden. Im Laden spielte die Musik, und da wollte Sheila zuhören. Eine innere Stimme riet ihr, sehr vorsichtig zu sein, und so verhielt sie sich auch. Sie näherte sich lautlos dem Vorhang und blieb an der Seite stehen, wo er nicht so dicht schloss. Der Spalt reichte aus, um einen Blick in den Verkaufsraum werfen zu können.
Glenda hatte Besuch erhalten. Es war eine Frau, das war für Sheila deutlich am Profil zu erkennen. Sie hielt den Atem an, als sie erkannte, dass diese Person bewaffnet war. Sie trug ein Henkerbeil mit einem sehr langen Griff. Es gab zum Glück bei ihr keine Anzeichen für einen Angriff, denn die Waffe berührte den Teppich.
War das die Frau, die die Zeugen gesehen
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