1561 - Wächterin der Nacht
Inspektor steckte seine Peitsche weg und sagte: »Es ist vorbei, Doktor.«
Der Arzt nickte nur. Ein Wort brachte er nicht hervor. Es war Suko egal, denn er wollte sich um Ari Cosmo kümmern.
Der Regisseur hockte noch immer zusammengesunken auf der Bank. Er stöhnte leise vor sich hin und hatte sein Gesicht zu einer ängstlichen Grimasse verzogen.
Suko streckte ihm die Hand entgegen. »Sie können aufstehen, Ari. Die Gefahr ist vorbei.«
»Sind Sie sicher?«
»Ja.«
Ob Cosmo ihm das glaubte, wusste Suko nicht. Der Regisseur zitterte heftig, als er sich hochstemmte, und musste sich dann mit einer Hand an der Tischkante festhalten. Aus seinem Mund drang noch immer ein Stöhnen. Die Beine wollten unter ihm nachgeben, und Suko half ihm, sich wieder hinzusetzen.
»Ich lebe noch!«, keuchte er.
»Klar.«
Der Regisseur lachte. »Jetzt freue ich mich sogar über meine Schmerzen, obwohl sich das pervers anhört.«
»Das gehört zum Leben.«
»Ja, ich weiß.« Er drehte den Kopf und schielte zum Fenster. »Es ist nicht zerbrochen.«
»Sie sagen es.«
»Und diese Gestalt ist durch die Scheibe gekommen, ohne dass sie zerstört wurde?«
»Ja. Das war kein Problem für sie.«
Cosmo bekam große Augen. »Wie ist das möglich? Auf dem Hoteldach ist sie zwar auch wie aus heiterem Himmel erschienen, aber da ist sie auch nicht durch eine Scheibe oder Mauer geglitten.«
»Sie wollten doch einen Engel für Ihre Werbung.«
»Klar«, flüsterte er, »aber nicht so einen. In der Werbung sind sie beschützend und ätherisch schön. Das sind wir den Konsumenten schuldig. Aber nicht so etwas. Dabei habe ich ihm nichts getan. Warum sollte ich dann sterben?«
»Es muss für ihn einen Grund geben, den wir leider nicht kennen.«
»Ja, das scheint mir auch so.« Er pustete die Luft aus und wusste nicht, was er noch sagen sollte.
Dr. Dillard hatte es nicht mehr an seinem Platz gehalten. Er kam auf die Sitzecke zu und war noch immer so blass wie eine gekalkte Wand. Deutlich waren die Schweißtropfen auf Stirn und Wangen zu sehen. Er wollte etwas sagen, doch ihm fehlten die Worte, und so bewegte er nur seine Hände über den Kittelstoff hinweg.
Als er stehen blieb, schaute er zum Fenster.
»Es ist nicht zerstört«, flüsterte er vor sich hin. »Die Gestalt ist durch die Scheibe gedrungen und auch wieder durch sie verschwunden, und das Glas ist dabei heil geblieben. Wie - wie ist das möglich?«
»Das kann ich Ihnen nicht erklären«, sagte Suko. »Sie sollten es einfach hinnehmen. Das ist das Beste.«
»Aber das kann ich nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Es gibt für alles eine Erklärung.«
»Da haben Sie recht, Doktor«, erwiderte Suko. »Aber manche Dinge sind nur schwer zu erklären. Da ist es dann besser, wenn man es dabei belässt und nicht weiter darüber nachdenkt.«
»Aber Sie sind Polizist. Sie brauchen Erklärungen und Motive.«
»Das weiß ich.«
»Und?«
»Auch in diesem Fall wird es sicher eine Erklärung geben, aber selbst wenn ich sie wüsste, würde ich sie für mich behalten.«
Dr. Dillard schüttelte den Kopf. »Sie müssen es wissen. Auf jeden Fall werde ich das nie vergessen. Ich habe einen Menschen gesehen, der kein normaler Mensch ist, weil er durch Glasscheiben gehen kann, ohne sie zu zerstören. Das muss man sich selbst mal klarmachen.«
»Lassen Sie es lieber, Doktor. Aber eines sollte Ihnen jetzt klar geworden sein.«
»So? Was meinen Sie?«
»Dass es wichtig für Mr. Cosmo ist, ein Einzelzimmer zu bekommen.«
»Ja, aber auch das hat ein Fenster.«
»Das ist nebensächlich. So ist wenigstens nur er in Gefahr.«
»Die anderen Leute nicht?«
Suko nickte. »Das Risiko besteht durchaus. Aber ich denke, dass es auch in diesem Team eine Hierarchie gibt, an die sich die andere Seite hält. Sonst hätte die Gestalt nicht nur ihn aufs Korn genommen, sondern auch die anderen Patienten, die bei ihnen hier im Krankenhaus liegen.«
»Eine gewagte Theorie.«
»Ich kenne keine bessere.« Suko wechselte das Thema. »Gibt es außer Ihnen noch andere Zeugen der Vorgänge?«
»Nein, zum Glück nicht.«
»Dann behalten Sie bitte alles für sich.«
»Haha. Darauf können Sie sich verlassen. Kein Wort werde ich sagen. Ich habe keine Lust, mich lächerlich zu machen, denn so etwas glaubt mir keiner.«
»Gut, dass Sie es so sehen.« Ari Cosmo meldete sich, indem er mit der flachen Hand auf den Tisch schlug. »He, und wie geht es jetzt mit mir weiter? Können Sie das schon sagen?«
»Keine Sorge«,
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