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159 - Der Dämon und die Besessene

159 - Der Dämon und die Besessene

Titel: 159 - Der Dämon und die Besessene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.F.Morland
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unserem Herrn, und stell dich anschließend neben mich.«
    Es fiel ihr erschreckend leicht, zu gehorchen, Ragamm sorgte dafür. Er fungierte als Wegbereiter des Bösen. Voller Angst beobachtete das Mädchen diese verhängnisvolle Entwicklung.
    Sie dachte unwillkürlich an Tony Ballard, und sie empfand Haß (das war Ragamm) und Verzweiflung darüber, daß sie ihm abgeraten hatte, nach Netwick zu kommen (das war sie selbst).
    Wie nannte man das, was Palbuk aus ihr machen wollte? Teufelsbraut? Höllengefährtin? Shelley sträubte sich dagegen. Ein erbitterter Kampf entflammte in ihr. Sie wollte fluchtartig den schwarzen Tempel verlassen, doch Ragamm nagelte sie fest. Mit tränenglitzernden Augen sah sie auf das bestickte Tuch, und sie fragte sich, was sich darunter befand.
    Der Tempel füllte sich innerhalb weniger Minuten. Leises Gemurmel war zu hören. Es verstummte sofort, als Clint Juran die Hände hob.
    »Wir haben uns hier eingefunden, um gemeinsam zu Palbuk, unsern Herrn, zu beten, ihn zu ehren, zu preisen und zu verherrlichen!« begann der Bürgermeister in seiner Funktion als Priester. »Doch heute nacht kommt noch etwas hinzu. Ihr alle kennt Shelley Robinson.«
    »Sie ist eine Fremde!« rief jemand aus den hinteren Reihen. Es klang verächtlich und haßerfüllt.
    »Ja, sie ist eine Fremde!« gab Clint Juran zurück. »Eigentlich hätten wir sie töten müssen, doch Palbuk hat es uns verboten, weil Shelley Robinson kein gewöhnliches Mädchen mehr ist, seit der Todeshauch eines Dämons sie streifte. Das war eine Gnade des Bösen, die nur ganz selten einem Menschen zuteil wird. Wir dürfen diese Fremde nicht hassen, Brüder und Schwestern. Was ihr widerfuhr, stellt sie über uns. Wir müssen zu ihr aufsehen, müssen ihr mit Demut begegnen und ihr Achtung und Respekt zollen, denn sie wird an Palbuks Seite treten und mit ihm über Netwick herrschen. Wer sich gegen sie stellt, verfeindet sich mit Palbuk. Wer die Hand gegen sie erhebt mit der Absicht, ihr das Leben zu nehmen, ist selbst des Todes. Der Tag ist nicht mehr fern, wo wir nicht mehr Palbuk allein, sondern auch dieses Mädchen anbeten werden.«
    Shelley Robinson hörte diese Ungeheuerlichkeit und schauderte. Ich will nicht an Palbuks Seite stehen! schrie es in ihr. Doch Ragamm freute sich schon darauf.
    ***
    Auch ich hatte gehört, was Clint Juran zu seinen »Brüdern und Schwestern« gesagt hatte. Mein Magen krampfte sich zusammen. Ich hatte Mitleid mit dem Mädchen. Manche Menschen streben danach, Kontakt mit dem Bösen zu bekommen. Nichts lassen sie unversucht, um dieses gefährliche Ziel zu erreichen, und manchem gelingt es, mit der Hölle in Verbindung zu treten. Die schwarze Macht erfüllt ihnen ihren größten Wunsch und macht sie zu einer Marionette des Grauens. Sie benützt sie, bedient sich ihrer, ohne irgendwelche Verpflichtungen einzugehen, doch wenn sie das Werkzeug nicht mehr braucht, läßt sie es fallen. Es ist wirklich nicht erstrebenswert, ein Bündnis mit der Hölle und ihren Vertretern zu suchen, aber es gibt immer wieder bornierte Fanatiker, die das nicht glauben wollen. Für sie gibt es zum Schluß immer ein böses Erwachen, und manchmal bereuen sie, aber zu spät.
    Das sind die einen.
    Die anderen sind jene, die unschuldig zum Handkuß kommen - wie Shelley.
    Ich war gekommen, um ihr zu helfen - und nun lag ich gefesselt, stumm und starr in diesem verdammten Sarg.
    Wie hätte Shelley reagiert, wenn sie davon Kenntnis gehabt hätte?
    Hätte sie mich aus meiner mißlichen Lage befreit, damit ich im Gegenzug etwas für sie tun konnte, oder war sie von Ragamm so sehr verseucht, daß sie keinen Finger für mich rühren würde?
    ***
    Albert Rekker wehrte sich mit ganzer Kraft, aber die lebenden Toten waren stärker. Sie trugen ihn in den See, tauchten mit ihm ein. Wasser stürzte sich in seinen weit aufgerissenen Mund. Nun kämpfte er nicht mehr gegen die Zombies, sondern gegen den Tod, und er verlor diesen aussichtslosen Kampf.
    Die lebenden Toten zerrten ihn in die Tiefe, drückten ihn zwischen Schlinggewächsen in den Schlamm und ließen ihn los, sobald feststand, daß er tot war.
    Der aufgewühlte Schlamm setzte sich.
    Ein fingerlanger, glühender Fisch, gesandt von Palbuk, schwamm Albert Rekker in den offenen Mund.
    Durch seinen Körper ging ein kurzer Ruck. Sein Tod erreichte eine andere Dimension. Er war tot, lebte aber gleichzeitig wieder, allerdings völlig anders. Irdische Gesetzmäßigkeiten hatten für ihn keine Gültigkeit

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