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1595 - Die sterbenden Engel

1595 - Die sterbenden Engel

Titel: 1595 - Die sterbenden Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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stimmte, denn richtige Geister waren es auch nicht, denn die Gestalten veränderten tatsächlich ihr Aussehen.
    Sie blieben nicht mehr so durchscheinend. Sie sahen plötzlich fast so aus wie Mina. Keine der Gestalten trug auch nur einen Fetzen Kleidung am Körper. Sie waren nackt und standen auf ihren Plätzen wie stumme Wachtposten.
    Cecil Davies verstand die Welt nicht mehr. Obwohl er sich nicht unmittelbar bedroht fühlte, spürte er trotzdem eine Gänsehaut auf seinem Rücken.
    Mina stand an seiner Seite und sagte nichts. Nur ihr Outfit passte nicht mehr zu den anderen Gestalten, und ihr Gesicht zeigte nicht mehr den Ernst wie sonst. Davies glaubte sogar, dass sich ein Lächeln auf ihr Gesicht gelegt hatte.
    Es war auch sehr still geworden. Kein Laut war zu hören. Keine der Gestalten atmete. Die Stille lag wie ein tonnenschwerer Druck über dem Innern der kleinen Kirche. Hier hatte sich etwas ereignet, das nicht zu begreifen war. Für den Pfarrer war zwar keine Welt zusammengebrochen, doch mit diesem Ereignis konnte er nichts anfangen.
    In der Stille waren die Schritte sehr gut zu hören. Hinter Davies klangen sie auf, und wenig später vernahm er die Stimme der jungen Reiterin.
    »Das ist ja Wahnsinn! Das ist nicht zu glauben. Sie sind da. Ja, die Engel sind da. Viele Engel. Ich kann sie alle sehen. Sie auch, Reverend?«
    Cecil Davies nickte nur. Reden konnte er nicht. Dieser Vorgang schnürte ihm die Kehle zu. Er hatte den Eindruck, nicht mehr in der normalen Welt zu stehen, und er versuchte fieberhaft, seine Gedanken zu ordnen.
    Eigentlich hätte er sich freuen müssen. Er sah etwas, was die normale Menschheit noch nie zu sehen bekommen hatte. Hier waren Wesen aus einer anderen Welt zu ihm in die Kirche gekommen. Ja, man konnte sie durchaus als Engel bezeichnen, und trotzdem wollte er nicht froh werden. Ihn störte etwas. Es öffnete sich nicht sein Herz. Er konnte sie nicht mit offenen Armen willkommen heißen.
    Warum denke ich so?, fragte er sich. Warum kann ich mich nicht freuen?
    Er wusste die Antwort nicht, aber je mehr Zeit verstrich, umso stärker wurde seine Ahnung.
    Diese Gestalten, ob Engel oder nicht, waren nicht in die Kirche gekommen, um zu beten. Sie suchten hier Schutz. Sie waren, das wusste er von Mina, Verfolgte. Man hatte sie aus ihrem Reich vertrieben und jagte sie trotzdem noch.
    Was von ihnen ausging, war ein Gefühl, das auch die Menschen kannten. Angst!
    Ja, sie schwebte unsichtbar über allen. Und die Gestalten musste er als Flüchtlinge ansehen. Ebenso wie Mina, die vorausgeschickt worden war, wie sie gesagt hatte.
    Auch als eine gewisse Zeit verstrichen war, gaben die geisterhaften Flüchtlinge keinen Laut von sich. Sie blieben auf ihren Plätzen stehen, als würden sie auf etwas warten.
    Der Reverend wollte wissen, ob er mit seinen Gedanken der Wahrheit nahe kam. Er wandte sich an Mina.
    »Sag mir bitte nur eines: Warten deine Freunde auf etwas? Oder warum sind sie hier und rühren sich nicht vom Fleck?«
    »Ja, sie warten auf etwas.«
    »Und worauf?«
    »Auf ihre Töter. Auf die Höllengespenster, die sie jagen. Genau auf die warten sie.«
    Das musste der Reverend erst begreifen. »Und warum fliehen sie nicht?«, flüsterte er.
    »Wohin denn? Wohin sollen wir denn fliehen? Es gib keinen Ort, an dem wir vor ihnen sicher sind. Auch nicht in unserer Welt. Deshalb haben wir sie ja verlassen und sind jetzt hier. Es ist unsere letzte Chance. Schon viele von uns sind von den Höllengespenstern getötet worden. Sie bringen uns Wunden bei. Sie reißen unsere Körper auf, und wir verschwinden einfach. Wir lösen uns auf, können nicht mehr bleiben und gehen ein in den großen Kreislauf.«
    Das war dem Reverend eine Stufe zu hoch. Er traute sich auch nicht, weiterhin Fragen zu stellen. Das übernahm Melanie, die sich nicht vom Fleck bewegt hatte.
    »Warum sehen sie denn so komisch aus, Mina?«
    »Wie meinst du das?«
    Das Mädchen lachte etwas verschämt. »Ja, es ist so. Sie wirken komisch auf mich. Nicht richtig fest und auch nicht richtig durchscheinend. So ein Mittelding.«
    »Ja, das ist wohl wahr. Nur kann ich es leider nicht ändern. Sie sind noch im Entstehen. Sie halten sich zwischen den Welten auf. Zum einen in unserer Welt, zum anderen in deiner. So können sie besser fliehen, verstehst du das?«
    »Nein, ehrlich nicht.«
    »Ach, das ist auch nicht wichtig. Ich weiß, dass sie mir gefolgt sind. Alle, bis auf eine. Die hat versucht, ihren eigenen Weg hier auf der Erde zu gehen. Aber

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