1617 - Blutlust
Nur hatte man nicht alle Reste abtransportiert, und so lagen überall noch Steine herum.
Wir blieben der Blutsaugerin auf den Fersen. Ihr Weg führte zu einer Mauer. Dahinter befand sich die Rückseite eines Gebäudes, dessen vordere Front in der Straße lag, die wir bereits durchfahren hatten. Es konnte sogar das Beerdigungsinstitut sein.
Justine wartete vor der Mauer auf uns.
»Hier war ich«, erklärte sie.
»Hast du die Mauer auch überklettert?«
»Ja.«
Ich fragte weiter: »Und dann?«
Sie grinste scharf. »Ich gelangte in einen Hinterhof. Da ist es dann passiert.«
Jane trat etwas vor. »Diese Viola war bei dir?«
»Klar. Ich habe sie über die Mauer geschafft und sie dann leer getrunken.«
»War sie bewusstlos?«
»Was sonst?«
Mehr sagte sie nicht. Dafür fing sie an, an der Mauer hochzuklettern.
Jane und ich konnten bewundern, welch eine Kraft in ihr steckte. Sie packte nach einem kleinen Sprung mit beiden Händen die Kante und zog sich mit einer federleicht aussehenden Bewegung in die Höhe.
Auf der Krone blieb sie sitzen und fragte: »Soll ich euch helfen?«
»Das schaffen wir noch allein«, antwortete ich.
»Wie ihr wollt.«
Ich machte den Anfang. Als ich die Krone erreicht hatte, die schon recht breit war, reichte ich Jane meine Hand und zog sie in die Höhe.
Danach sprangen wir in die Tiefe. Dort stand Justine und wartete auf uns. Sie interessierte sich für die Rückseite des Hauses, das vor uns lag.
Es war dort nicht völlig dunkel. Im Haus selbst brannte ein schwaches Licht.
Jane hatte nachgerechnet. »Das muss die Rückseite des Sargladens sein«, meinte sie. »Das ist doch ein toller Ort für ein Versteck. Oder meint ihr nicht?«
Wir waren ihrer Ansicht, und es gab keine Frage, wie es für uns weiterging. Wir wollten uns im Innern des einstöckigen Gebäudes umschauen und suchten zuerst nach einer Tür. Es gab sie nicht nur an der Vorderseite, auch hier war eine vorhanden. Ein graues Viereck, dass sich kaum von der Mauer abhob.
Justine hatte schon ein Bein angehoben, um sie einzutreten, aber ich hielt sie zurück.
»Lasses!«
»Warum?«
»Ich möchte keinen Krach haben.«
Sie trat achselzuckend zurück, und so konnte ich mich mit der Tür beschäftigen. Es war ganz einfach. Niemand musste sie eintreten, denn sie war nicht verschlossen. Wir standen zudem in Deckung eines alten Leichenwagens, der schon fast in ein Museum gehört hätte.
Ich zog die Tür auf. Leider nicht lautlos, doch das mussten wir in Kauf nehmen.
Wir traten nicht in die absolute Finsternis hinein, denn uns empfing so etwas wie eine Notbeleuchtung.
Ich hatte zum ersten Mal den Eindruck, dass wir hier genau am richtigen Ort waren…
***
Der Bestatter wusste nicht, wie lange er im Flur gestanden und gewartet hatte. Er wollte sichergehen, dass die Blutsaugerin nicht mehr zurückkehrte, und er hörte auf sein Gefühl. Ja, es war schon okay, als er auf seine innere Stimme hörte und danach die Treppe hinabging.
Er traute sich nicht, normal zu gehen, sondern schlich die Treppe hinab und ließ dabei seine Hand über das alte Geländer gleiten. Er ließ es erst los, als er die letzte Stufe hinter sich gebracht hatte.
Jetzt atmete er erst einmal tief durch.
Das Zittern hatte bei ihm nachgelassen. Sicher fühlte er sich trotzdem nicht, denn er wusste nicht; wie es weitergehen würde.
Monk ging davon aus, dass die Blutsaugerin nichts vergessen hatte. Es war durchaus möglich, dass sie sich sein Haus als Versteck aussuchen würde, um hier die hellen Tage zu verbringen, denn das Sonnenlicht konnte für Vampire tödlich sein.
Wohin jetzt?
Vor seinem geistigen Auge liefen die Erlebnisse noch mal ab. Er dachte daran, wie sich Viola das Blut geholt hatte. Sie war mit einer wahren Lust über ihr Opfer hergefallen, und dieses Opfer, dieser Mann mit dem Namen Bruce Hammer, war nicht verschwunden. Er lag noch dort, wo der jetzt leere Sarg stand.
Der Bestatter musste daran denken, dass diese Viola ihn leer gesaugt hatte. Er würde noch leben, aber es würde kein menschliches und normales Leben mehr sein. Er würde nur noch existieren, und das als gefährlicher Blutsauger.
»Scheiße ist das!«, flüsterte Monk vor sich hin. »Was soll ich denn jetzt tun?«
Dieses Haus war seine Heimat. Hier wohnte er. Er wollte es sich nicht wegnehmen lassen. Zudem wusste er nicht, wo er hinsollte. Außerdem wurde er gebraucht, denn seine Verbindungen zu gewissen Kreisen war in der Branche bekannt. Wollte jemand eine Leiche
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