1617 - Blutlust
hätte er etwas bestätigt bekommen, auf das er schon lange gewartet hatte.
Bruce Hammer war leicht irritiert.
»Was ist das gewesen?«, flüsterte er.
»Ich - ahm - weiß es nicht.«
»Das hat sich wie ein Stöhnen angehört.«
»Nicht von mir.«
Von mir auch nicht. Das hatte Hammer sagen wollen, aber die Antwort blieb ihm im Hals stecken, denn jetzt gab es für ihn nur eine Erklärung, und die war unvorstellbar.
Er spürte es kalt seinen Rücken hinabrieseln. Durch seinen Kopf schössen Gedanken, die er selbst nicht wollte, und er musste sich überwinden, um einen Blick auf die Tote zu werfen.
Viola lag noch immer dort. Daran gab es nichts zu rütteln. Und trotzdem war etwas anders geworden. Ihr Mund war nicht mehr so fest geschlossen. Er stand jetzt etwas offen. Aus ihm hätte durchaus das Stöhnen dringen können.
Aber sie ist doch tot!, schrillte es in Hammers Kopf.
Jetzt war er nicht mehr fähig, seinen Blick von der Toten zu nehmen. Er musste Gewissheit haben. Das Stöhnen hatte sich so natürlich angehört.
Es stammte nicht von einem Recorder, den der Bestatter heimlich eingeschaltet hatte.
Trotzdem war es unmöglich.
Bruce hatte sich ja gewünscht, dass seine Geliebte noch lebte, aber das hier ging über seine Vorstellungskraft hinaus.
Und es kam noch schlimmer.
Hammer war noch mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, als es im Gesicht der Toten zuckte und sie im nächsten Moment die Augen aufschlug.
Er konnte den Schrei nicht unterdrücken. Er hatte leicht gebückt gestanden. Jetzt fuhr er hoch, wich aber nicht zurück, sondern glotzte auf die Tote.
Sie schaute ihn an. Ihre Pupillen bewegten sich.
Es gab keinen Zweifel, Viola lebte. Möglicherweise war sie nur scheintot gewesen, aber das war jetzt egal.
»Was ist das?«, keuchte er und wandte sich mit dieser Frage an den Bestatter. »Können Sie das erklären, verdammt noch mal?«
»Was denn?«
»Tun Sie doch nicht so!«, schrie er den Bestatter an. »Viola ist nicht tot, verdammt!«
»Ah, das haben Sie jetzt auch gesehen?«
»Ja, habe ich. Und ich lasse mich nicht mehr von Ihnen verarschen. Hören Sie?«
Monk winkte ab. »Sie haben ja laut genug gesprochen, Mr. Hammer, wirklich. Nur sollten Sie sich nicht so aufregen.«
»Ich mich nicht aufregen?« Er fing schrill an zu lachen. »Na, Sie haben Nerven. Ich weiß jetzt, dass Viola nicht tot ist, aber ich frage mich, warum ich hier stehe.«
»Das hat schon seinen Grund.«
»Da bin ich gespannt. Ich will ihn wissen, und ich will ihn von Ihnen wissen.« Er wollte auf Monk zugehen, aber der Bestatter war schneller und streckte ihm beide Hände entgegen. »Halt!«
Hammer blieb tatsächlich stehen, worüber er sich ärgerte.
»Was ist los, Monk?«
Erneut grinste das Rattengesicht. »Drehen Sie sich um und werfen Sie einen Blick in den Sarg.«
»Warum?«
»Tun Sie es einfach. Es ist besser für Sie. Sie wollen doch Gewissheit haben.«
Bruce Hammer zögerte noch. Er wusste nicht, ob man ihn zum Narren hielt oder nicht. Aber ein Blick in die Augen des Bestatters reichte aus, um ihn erkennen zu lassen, dass der Mann es ernst meinte.
Und so drehte er sich wieder um.
Der Sarg stand noch immer auf dem Boden. In ihm lag seine geliebte Viola. Das war alles okay, aber es hatte sich etwas verändert.
Ihr Mund stand jetzt weit offen, als hätte man ihr einen Apfel gereicht, in den sie hineinbeißen sollte.
Und das mit zwei Zähnen, die aus dem Oberkiefer wuchsen wie zwei leicht gekrümmte Hauer…
***
Bruce Hammer stand am Sarg und schaffte es nicht, sich zu bewegen.
Er war zu einer Statue geworden oder zu der berühmten Salzsäule. Was er hier sah, war unmöglich.
Und trotzdem war es die Realität. Da lag seine geliebte Viola vor ihm im Sarg und war nicht tot.
Das hatte er jetzt begriffen, aber noch etwas anderes war hinzugekommen, das ihm Probleme bereitete.
Sie hatte sich auf eine so schreckliche Weise verändert. Er nahm es irgendwie hin, dass sie den Mund geöffnet hatte, aber dass jetzt zwei lange Zähne aus ihrem Oberkiefer gewachsen waren, das konnte er nicht nachvollziehen. Das war wie ein Schlag unter die Gürtellinie.
Plötzlich drangen die Geschichten in sein Bewusstsein, die er früher mal gehört oder gelesen hatte. Es gab auch Filme über Vampire, über Wesen also, die einem alten Volksglauben entstammten und dabei von fantasievollen Menschen in die Wirklichkeit transportiert worden waren.
Vor ihm lag ein weiblicher Vampir!
Nein, das wollte er nicht glauben. Das
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