1622 - Sie kamen aus der Totenwelt
beruhigen will. Dass ich mir keine zu großen Sorgen zu machen brauche. Man denkt ja immer an sein Kind, auch wenn es schon erwachsen ist. Wo es sich jetzt befindet und so weiter. Und da kann eine solche Nachricht schon Trost spenden, meine ich.«
»Wenn Sie das so sehen, ist es gut. Aber ich werde mich weiterhin um die Hintergründe kümmern. Ich habe einfach das Gefühl, dass mehr dahintersteckt und wir erst die Spitze des Eisbergs entdeckt haben.«
»Und was könnte dahinterstecken?«
»Das weiß ich leider auch nicht, Frau Norton. Aber ich bleibe dran, Sie können sich darauf verlassen.«
»Danke«, flüsterte sie. »Dann stufen Sie mich nicht als hysterisch ein, dass ich Sie den Weg habe fahren lassen?«
»Nein, auf keinen Fall.«
Beide erhoben sich zur selben Zeit und reichten sich über den Tisch hinweg die Hände. Frau Norton ließ es sich nicht nehmen, Harry noch zur Tür zu bringen.
Von der Treppe aus winkte er ihr noch ein letztes Mal zu, dann machte er sich auf den Weg nach unten, und das mit einem Kopf, der voller Gedanken steckte.
Er hatte einiges über den Fall gehört, wobei er über das Wort Fall stolperte und sich fragte, ob er diesen nicht erklärbaren Vorgang überhaupt als einen Fall ansehen sollte.
Zumindest war alles sehr rätselhaft. Das fing mit dem Erscheinen des Raben an und hörte bei der Botschaft auf, die in der Schrift des Toten geschrieben worden war.
Aber wer tat so etwas? Wer wollte diese Botschaft unbedingt loswerden?
Dahinter steckte mehr, und Harry konnte sich vorstellen, dass hier Dinge zusammenkamen, die ihn sehr wohl beruflich etwas angingen. Harry arbeitete ja für die Regierung und war für Fälle zuständig, die den Rahmen des Normalen sprengten. Ebenso wie sein Freund John Sinclair in London.
Die Sonne war in der Zwischenzeit etwas gewandert, und so stand sein Wagen im Schatten. Das kam ihm auch sehr zupass, denn es würde im Innern nicht so warm sein.
Bereits jetzt machte er sich Gedanken darüber, wo er den Hebel ansetzen konnte oder sollte. Wichtig war der Rabe, und er konnte sich vorstellen, dass er nach einem Tier suchen musste, das dressiert worden war. Wer tat so etwas?
Er hatte keine Ahnung. Es gab Zauberer oder Magier, die mit einem Raben auf der Schulter auftraten. Möglicherweise war das eine Spur.
Herausfinden ließ sich so ein Künstler ohne große Probleme. Vor einigen Wochen erst hatte er eine Show gesehen, in der ein düsterer Magier aufgetreten war, der immer einen Raben bei sich gehabt hatte.
Er stieg in den Wagen. Um wegzukommen, musste er den Opel etwas zurücksetzen. Er wollte schon den Rückwärtsgang einlegen, als er vor der Frontscheibe das Flattern sah.
Ein Vogel landete auf der Kühlerhaube, wobei er sich so gedreht hatte, dass er durch die Scheibe in das Auto schaute.
Es war ein Rabe!
***
Wir saßen in unserem Büro zusammen. Ich nippte an meinem Kaffee und schaute über den Rand der Tasse auf unsere Assistentin Glenda Perkins, die Suko und mich ansprach.
»Das muss an diesem Typ gelegen haben, der von den Vögeln umgebracht worden war.«
»Was meinst du?«, fragte ich.
»Er hat sich mit ihnen eingelassen und nicht so reagiert, wie es sich die andere Seite gewünscht hat.«
»Genauer, Glenda.«
Sie verdrehte die Augen. »Er hat nicht mehr mitgemacht. Er wollte sich von seinen Freunden trennen, und deshalb hat man ihn umgebracht.«
»Dann waren es keine Freunde«, bemerkte Suko.
Glenda hob die Arme. »Oder Verbündete. Was immer man dazu sagen mag.«
Ich hielt mich zurück. Mir gefiel nichts von dem, was hier vermutet wurde. Ich hatte den Eindruck, dass wir im falschen Loch bohrten und erst mal mehr über Todd Hayes erfahren mussten.
Darum wollte sich unser Chef, Sir James, kümmern. Er war nicht dabei und würde uns zu sich rufen, wenn es Ergebnisse gab.
Ich bekam das Bild des Toten nicht aus dem Kopf. Die Vögel mussten einen wahren Hass gehabt haben, als sie ihn überfielen. Es hatte schon einer Hinrichtung geglichen.
Und dann war da von Totenreichen gesprochen worden, die Todd Hayes kannte. Aber woher kannte er sie?
Ich wusste die Antwort nicht, grübelte aber trotzdem weiter, was Glenda zu einer spitzen Frage veranlasste.
»Schläfst du?«
»Nein.«
»Aber fast.«
»Ich denke nur nach.«
»Über den Fall?«
»Du sagst es.«
»Und was denkst du?«
Ich ging weiterhin auf das Spiel ein. »Dass wir eigentlich viel zu wenig wissen. Nur eben, dass er von einem Totenreich oder einer Totenwelt gesprochen hat. Er
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