18 Gänsehaut Stories
gelesen hatten. Niemand sprach ihn geradewegs darauf an, aber Bob merkte, daß die anderen ihm aus dem Weg gingen.
Bob verschwand in seinem Büro, schloß die Tür und machte sich an einige Berechnungen über die Hyaden. Aber obwohl er sich zu konzentrieren versuchte, blieben seine Gedanken nie lange bei Ambrosia, Eudora, Pedile, Coronis, Polyxo, Phyto und Thyene, sondern wanderten zu einer anderen Nymphe, die ihm etwa 135 Lichtjahre näher war und Dagny Archer hieß. Staatshexe ! Er mußte verlangen … nein, darauf bestehen, daß sie auf der Stelle von diesem Amt zurücktrat, das seine eigene berufliche Position innerhalb kürzester Zeit schwer gefährden konnte. Bob überlegte sich auf der Nachhausefahrt, was er alles sagen würde.
Aber als er heimkam, saß Dagny am Telefon, führte ein Ferngespräch mit irgendeinem Zauberer oder Werwolf und durfte auf keinen Fall gestört werden. Bob lungerte eine Weile in der Nähe des Telefons herum, aber als sich zeigte, daß die Okkulten ebensolche Verständigungsschwierigkeiten wie gewöhnliche Sterbliche hatten, verschwand er in der Küche, um Trost bei der Flasche zu suchen. Als erstes nahm er einen langen Zug aus der Whiskyflasche, dann mixte er sich einen Drink und zog sich auf die Veranda zurück, um wie ein Gentleman zu trinken. Margarita, die im Sessel gegenüber döste, warf ihm einen gleichgültigen Blick zu und schlief dann weiter.
Nach einiger Zeit gesellte sich Dagny mit ihrem Glas Tomatensaft zu ihm. Sie rauchte nämlich nicht und trank keinen Alkohol; sie verabscheute alles, was ihre Sinneswahrnehmungen irgendwie hätte beeinflussen können.
»Ich finde dieses wiedererwachte Interesse für das Okkulte einfach begeisternd!« schwärmte sie. »Paß auf, es erfaßt noch ganz Amerika. Und was ihr Astronomen manchmal treibt, unterscheidet sich eigentlich gar nicht so sehr von unserem Okkultismus. Wenn ich an Leptonen, Quasare und diese neuen Dinger, die … die schwarzen Löcher denke …«
»Das ist für mich nichts Neues«, murmelte Bob. »Ich hab’ mein Leben lang in irgendeinem großen schwarzen Loch rumgegrapscht.«
Dagny spürte sofort, wie deprimiert er war.
»Ach, Robert, sei doch nicht so unausstehlich! Gut, ich bin die Staatshexe von Kalifornien. Bedeutet das etwa gleich den Weltuntergang? Was ist Wahrheit? Wer will entscheiden, wer von uns beiden recht hat? Schließlich gibt es auf jede Frage mehrere Antworten.«
»Aber nicht für diese!«
»Das ist unfair«, protestierte Dagny.
»Denk doch selbst nach, Liebling!« forderte Bob sie hitzig auf. »Wie kann irgendeine dämliche Ansammlung von Materie wie Uranus, der über drei Milliarden Kilometer von uns entfernt ist, auch nur den geringsten Einfluß auf unser Leben haben?«
Dagny streichelte Margarita.
»Du hast selbst gesagt, die Entdeckung der Radiowellen habe die Astronomie revolutioniert. Kann es nicht noch andere Wellen geben, die uns ebenfalls erreichen? Bisher unbekannte Wellen?«
»Vielleicht«, gab Bob widerwillig zu.
»Ich weiß, daß es welche gibt. Ich spüre sie.«
Bob spürte ebenfalls gewisse Schwingungen in sich, die allerdings nicht kosmischen Ursprunges waren. Er war angetrunken, und er wußte das. Morgen würde er sich scheußlich fühlen. Aber bis dahin war noch lange Zeit.
Er überquerte die Veranda etwas unsicher und zog Dagny an sich. Sie war eben doch ein Engel – oder eine Hexe. Bob wußte es nicht, aber im Augenblick war es ihm auch gleichgültig.
Er hatte richtig vermutet, daß er einen Kater haben würde. Aber diesmal war es ein besonderer Kater, der die höheren Nervenzentren nicht wie sonst beeinflußte. Bob spürte noch etwas vom Auftrieb des
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