18 Gänsehaut Stories
und böse war. Gedankenlosigkeit, Leichtsinn und Trunksucht im Verein mit seinem grobschlächtigen und ungebildeten Wesen führten schließlich jenen Unfall herbei, der bestimmt zu verhindern gewesen wäre.
Ich weiß nicht recht, an welchem Punkt ich Birchs Geschichte beginnen soll, denn ich bin kein geübter Erzähler. Zu Anfang sollte man wohl den bitterkalten Dezember des Jahres 1880 erwähnen, in dem das Erdreich so tief gefror, daß bis zum Frühjahr keine Gräber mehr ausgehoben werden konnten. Glücklicherweise war das Dorf klein und die Zahl der Toten in diesem Winter besonders niedrig, wodurch Birch in der Lage war, seine leblosen Schützlinge in der leerstehenden Gruft auf dem Friedhof unterzubringen. Das kalte Wetter machte ihn noch mürrischer als sonst, und er schien sich selbst in bezug auf schlechte Arbeit übertreffen zu wollen. Nie zuvor hatte er schiefere Särge zusammengehämmert oder sich weniger um das rostige Schloß in der Tür zu der Gruft gekümmert, wenn er wieder einmal einen Toten zur vorläufigen Ruhe zu betten hatte.
Schließlich kam der Frühling, und auf dem Friedhof wurden neun Gräber ausgehoben, denn in der Gruft lagen neun Opfer, die der Sensenmann während des langen Winters abberufen hatte. Birch, der die mit den Umbettungen und Wiederbestattungen verbundene Arbeit scheute, begann an einem trüben Apriltag damit, hörte aber schon bald wieder auf, weil der starke Regen sein Pferd unruhig zu machen schien. Am nächsten Morgen wollte er die zweite Leiche, den alten Matthew Fenner, in das vorbereitete Grab schaffen, hatte aber doch keine Lust dazu und nahm die Arbeit erst wieder am Karfreitag auf. Da er von Natur aus nicht abergläubisch veranlagt war, bedeutete ihm dieser Tag nichts, obwohl er später nie mehr an einem Freitag arbeitete.
Am Nachmittag des fünfzehnten April machte Birch sich also mit Pferd und Wagen auf, um Matthew Fenners Leiche in das Grab zu bringen. Später gab er mir gegenüber zu, daß er dabei nicht ganz nüchtern gewesen sei, obwohl er damals noch nicht die Mengen Alkohol zu sich nahm, mit deren Hilfe er später diesen Tag zu vergessen versuchte. Ein eisiger Wind hatte die Wolken vom Himmel gefegt, und Birch war froh, als er endlich das schwere Eisentor erreicht hatte, das den Eingang zu der Gruft versperrte. Mancher andere hätte die feuchte, nach Moder riechende Kammer nur ungern und zögernd betreten, aber damals war Birch für dergleichen Gefühlsregungen noch völlig unempfindlich und hatte nur eine Sorge – den richtigen Sarg für das vorbereitete Grab zu finden. Nur zu gut konnte er sich noch an den Aufruhr erinnern, der entstanden war, als Hannah Bixbys Verwandte ihre Leiche in die Stadt hatten überführen lassen, wobei sich herausstellte, daß in Wirklichkeit Richter Capwell unter ihrem Grabstein ruhte. Die Beleuchtung innerhalb der Gruft war düster, aber Birch hatte gute Augen und nahm nicht etwa aus Versehen Asaph Sawyers Sarg mit, obwohl er sehr ähnlich aussah. Ursprünglich hatte er diesen Sarg für Fenner vorgesehen gehabt, aber dann hatte er sich daran erinnert, wie freundlich und zuvorkommend der kleine alte Mann stets zu ihm gewesen war. Deshalb hatte er ihn zur Seite gestellt und Matthew Fenner den schönsten und besten Sarg getischlert, den je ein Bürger von Peck Valley bekommen hatte. Andererseits war er aber sparsam genug gewesen, um den schlechten für den Tag aufzuheben, an dem Asaph Sawyer das Zeitliche segnen würde. Sawyer war allgemein unbeliebt und vielen sogar verhaßt, denn seine Rachgier hatte mit zunehmendem Alter geradezu unmenschliche Formen angenommen. Birch hatte keinerlei Gewissensbisse empfunden, als er
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