18 Geisterstories
versichern, daß ich sie nach zwei Monaten ziemlich gesund zurückschicken werde.
Ich erstaunte, denn ich hatte meinen Jugendfreund völlig aufgegeben. Das stark gewürzte Getränk machte uns völlig munter und der Doktor sprach: Diese Seelenkrankheit Ihres Freundes ist mir eine der interessantesten psychologischen Erscheinungen, die mir nur bekannt geworden sind. Er sowie seine Frau sind von einem seltsamen Wahnsinn befangen, und wenn es uns gelingt, diesen erst zu stören, dann zu schwächen und zu verdunkeln und endlich ganz zu vertreiben, so wird sich auch die körperliche Genesung ganz von selbst einstellen. – Ohne Ihren Freund früher gekannt zu haben, kann ich mir aus seinen Mitteilungen seinen Charakter und seine Schicksale genau und wahr konstruieren. Er ist von Natur ein guter, weicher Mensch, etwas zu weich, und wie alle Menschen dieser Art der Eitelkeit mehr als die stärkeren ausgesetzt. Er ist schön gewesen und liebenswürdig, hat Talente und Suada besessen und war so allenthalben willkommen, wo er sich nur zeigen mochte. Allenthalben beliebt und geschmeidig, mag er manchem schönen Kinde Kopf und Herz verdreht haben. Nun kam ihm seine schöne Gattin entgegen, er will sich zum Ehemanne umgestalten, und seine reizbare nervenschwache Frau freut sich, den liebenswürdigen, feinen Mann den ihrigen nennen zu können. Wie es den Schwärmenden immerdar ergeht, so auch hier. Sie finden das überschwengliche Glück in der Ehe nicht, welches sie erwartet haben, und eine leise Verstimmung legt sich über die zarten Nervensaiten, die mit Ungeduld neue Schwingungen erwarten. Die häßliche verwachsene Schwester empfindet, wie fast alle Personen dieser Art, Neid und Mißgunst gegen die vorgezogene, geschmeichelte und geliebkoste Braut und Gattin. Sie läßt deutlich ihren Widerwillen merken und gesteht, daß sie den jungen Edelmann hasse. Der liebenswürdige Herzensbezwinger setzt nun alle seine Künste daran, auch diese Widerspenstige zu überwältigen. Es gelingt ihm, und die arme Getäuschte glaubt wohl gar Empfindungen in ihm erregt zu haben, indessen er nur seine Eitelkeit einen Triumph feiern läßt. Diese Herzlosigkeit mußte die unglückliche Ernestine kränken und empören. Eine innere Wut verzehrt sie, sie wird ein Opfer ihrer unglücklichen Leidenschaft, und im Sterben spricht sie jene Drohung aus, die Ehegatten auf alle Weise zu verfolgen. Dies ist offenbarer Wahnsinn. Es ist eine schon alte Bemerkung, daß dieser oft im Blute steckt, und Verwandte, Brüder, Schwestern und Kinder davon ergriffen werden, wenn er sich in einem Glied der Familie manifestiert. So auch hier. Der zärtliche Graf ist wohl auch nicht so ganz verschwiegen gegen seine Gattin gewesen: sie kränkelt schon, sie brütet über Gedanken und schleicht mit neugieriger Aufmerksamkeit dunkeln Gefühlen ihrer Nerven nach, – was ist natürlicher, als daß sie bei der ersten Gelegenheit die mißgestaltete Schwester zu sehen glaubt? Die Angst der Frau teilt sich ihm mit, die böse Laune über Unglück hat seine Fantasie gesteigert, und er sieht ebenfalls die Gespenstererscheinung. So geht es denn fort, bis beide sich aus reiner Fantasie beinahe vernichtet haben. Zerstört man diese böse Einbildung, so werden sie gesund.
Liebster Doktor, erwiderte ich, ich kann nicht sagen, ob ich einen zu vorwiegenden Hang zum Aberglauben habe, aber Ihre Gründe genügen mir nicht. So vieles, was uns Sage und Schrift aufbewahrt, kann in diesem sonderbaren Gebiete, so vernünftig man sich auch entgegensetzt, nicht bloß Fantasie oder Erfindung sein. Es gibt wohl Stimmungen, Krankheiten, Nervenzustände, in welchen
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