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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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ver­si­chern, daß ich sie nach zwei Mo­na­ten ziem­lich ge­sund zu­rück­schi­cken wer­de.
    Ich er­staun­te, denn ich hat­te mei­nen Ju­gend­freund völ­lig auf­ge­ge­ben. Das stark ge­würz­te Ge­tränk mach­te uns völ­lig mun­ter und der Dok­tor sprach: Die­se See­len­krank­heit Ih­res Freun­des ist mir ei­ne der in­ter­essan­tes­ten psy­cho­lo­gi­schen Er­schei­nun­gen, die mir nur be­kannt ge­wor­den sind. Er so­wie sei­ne Frau sind von ei­nem selt­sa­men Wahn­sinn be­fan­gen, und wenn es uns ge­lingt, die­sen erst zu stö­ren, dann zu schwä­chen und zu ver­dun­keln und end­lich ganz zu ver­trei­ben, so wird sich auch die kör­per­li­che Ge­ne­sung ganz von selbst ein­stel­len. – Oh­ne Ih­ren Freund frü­her ge­kannt zu ha­ben, kann ich mir aus sei­nen Mit­tei­lun­gen sei­nen Cha­rak­ter und sei­ne Schick­sa­le ge­nau und wahr kon­stru­ie­ren. Er ist von Na­tur ein gu­ter, wei­cher Mensch, et­was zu weich, und wie al­le Men­schen die­ser Art der Ei­tel­keit mehr als die stär­ke­ren aus­ge­setzt. Er ist schön ge­we­sen und lie­bens­wür­dig, hat Ta­len­te und Sua­da be­ses­sen und war so al­lent­hal­ben will­kom­men, wo er sich nur zei­gen moch­te. Al­lent­hal­ben be­liebt und ge­schmei­dig, mag er man­chem schö­nen Kin­de Kopf und Herz ver­dreht ha­ben. Nun kam ihm sei­ne schö­ne Gat­tin ent­ge­gen, er will sich zum Ehe­man­ne um­ge­stal­ten, und sei­ne reiz­ba­re ner­ven­schwa­che Frau freut sich, den lie­bens­wür­di­gen, fei­nen Mann den ih­ri­gen nen­nen zu kön­nen. Wie es den Schwär­me­n­den im­mer­dar er­geht, so auch hier. Sie fin­den das über­schweng­li­che Glück in der Ehe nicht, wel­ches sie er­war­tet ha­ben, und ei­ne lei­se Ver­stim­mung legt sich über die zar­ten Ner­ven­sai­ten, die mit Un­ge­duld neue Schwin­gun­gen er­war­ten. Die häß­li­che ver­wach­se­ne Schwes­ter emp­fin­det, wie fast al­le Per­so­nen die­ser Art, Neid und Miß­gunst ge­gen die vor­ge­zo­ge­ne, ge­schmei­chel­te und ge­lieb­kos­te Braut und Gat­tin. Sie läßt deut­lich ih­ren Wi­der­wil­len mer­ken und ge­steht, daß sie den jun­gen Edel­mann has­se. Der lie­bens­wür­di­ge Her­zens­be­zwin­ger setzt nun al­le sei­ne Küns­te dar­an, auch die­se Wi­der­spens­ti­ge zu über­wäl­ti­gen. Es ge­lingt ihm, und die ar­me Ge­täusch­te glaubt wohl gar Emp­fin­dun­gen in ihm er­regt zu ha­ben, in­des­sen er nur sei­ne Ei­tel­keit einen Tri­umph fei­ern läßt. Die­se Herz­lo­sig­keit muß­te die un­glück­li­che Er­nes­ti­ne krän­ken und em­pö­ren. Ei­ne in­ne­re Wut ver­zehrt sie, sie wird ein Op­fer ih­rer un­glück­li­chen Lei­den­schaft, und im Ster­ben spricht sie je­ne Dro­hung aus, die Ehe­gat­ten auf al­le Wei­se zu ver­fol­gen. Dies ist of­fen­ba­rer Wahn­sinn. Es ist ei­ne schon al­te Be­mer­kung, daß die­ser oft im Blu­te steckt, und Ver­wand­te, Brü­der, Schwes­tern und Kin­der da­von er­grif­fen wer­den, wenn er sich in ei­nem Glied der Fa­mi­lie ma­ni­fes­tiert. So auch hier. Der zärt­li­che Graf ist wohl auch nicht so ganz ver­schwie­gen ge­gen sei­ne Gat­tin ge­we­sen: sie krän­kelt schon, sie brü­tet über Ge­dan­ken und schleicht mit neu­gie­ri­ger Auf­merk­sam­keit dun­keln Ge­füh­len ih­rer Ner­ven nach, – was ist na­tür­li­cher, als daß sie bei der ers­ten Ge­le­gen­heit die miß­ge­stal­te­te Schwes­ter zu se­hen glaubt? Die Angst der Frau teilt sich ihm mit, die bö­se Lau­ne über Un­glück hat sei­ne Fan­ta­sie ge­stei­gert, und er sieht eben­falls die Ge­spens­terer­schei­nung. So geht es denn fort, bis bei­de sich aus rei­ner Fan­ta­sie bei­na­he ver­nich­tet ha­ben. Zer­stört man die­se bö­se Ein­bil­dung, so wer­den sie ge­sund.
    Liebs­ter Dok­tor, er­wi­der­te ich, ich kann nicht sa­gen, ob ich einen zu vor­wie­gen­den Hang zum Aber­glau­ben ha­be, aber Ih­re Grün­de ge­nü­gen mir nicht. So vie­les, was uns Sa­ge und Schrift auf­be­wahrt, kann in die­sem son­der­ba­ren Ge­bie­te, so ver­nünf­tig man sich auch ent­ge­gen­setzt, nicht bloß Fan­ta­sie oder Er­fin­dung sein. Es gibt wohl Stim­mun­gen, Krank­hei­ten, Ner­ven­zu­stän­de, in wel­chen

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