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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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zurück; aus dem Wasser herauf stieg ein kühler, erfrischender Hauch. Man saß still, fast ohne zu sprechen, in dem selig beruhigenden, alle wehmütigen Gefühle des Herzens erweckenden Genuß verloren. Da erklangen unvermutet die leise angeregten Akkorde einer Gitarre.
    Alles horchte auf. Ein eigentümliches Gefühl ergriff die Brust bei diesen Klängen, die so sehr an italienische Sitte mahnten; denn wer hätte nicht, sei es durch Schilderungen oder durch eigene Erfahrung, schon jene südlichen Empfindungen gekannt, die durch die schaukelnde Barke und das Lied des Gondeliers in uns erweckt werden. Es war, als ziehe der Strom mit seinen Ufergebirgen plötzlich unter einem italienischen Himmel dahin, als sei es die Welle der Brenta oder des Po, von der man sich geschaukelt fühle. Der schöne, blondgelockte Benno war es, der die Saiten gerührt hatte, um eine Ballade vorzutragen, welche er auf eine Sage von dem Schreckenstein gedichtet hatte. Die Schiffer saßen lauschend am Steuer und richteten die Blicke auf den Sänger; die übrigen Hörer winkten, erfreut durch die Überraschung, einander mit den Augen Stille zu. Man hörte jetzt nichts als das leise Flüstern der Wellen an dem Kiel des Schiffes. Der Mond warf seine Strahlen auf Bennos Angesicht, der, einem begeisterten Improvisator gleichend, das große blaue Auge gegen das Licht aufschlug und dann mit wohlklingender Stimme die in Verse gebrachte Sage vortrug, wonach ein tyrannischer Vater den Geliebten seiner Tochter, als dieser bei Nacht den steilen Fels hinaufklimmte, tückisch lauernd in den Abgrund gestürzt haben soll. Die Geliebte in ihrem Schmerz stürzt sich nach in den Strom, und die ewig fortziehenden Wellen desselben bilden die Gruft des liebenden Paares und kühlen die Glut ihrer Schmerzen. Benno sang mit sanfter, angenehmer Stimme und tief empfundenem Ausdruck.
    Am Schluß des Liedes saß alles, wie zuvor, in tiefem Schweigen. Wen hätte die traurige Mär nicht erschüttert? Wer hätte nicht in der eigenen Brust Anklänge gefunden für die heiligen Gefühle der Unglücklichen? Selbst St.-Luces und Beaucaire hatten so viel geselligen Takt, die Stille nicht sogleich zu unterbrechen, obwohl sie neugierig auf den Inhalt des Gesanges, dessen Worte sie nicht verstanden hatten, waren.
    Indessen war man nahe an der Stadt, und das lebhaftere Treiben am Ufer sowie einige kreuzende Nachen mit Lustfahrenden aus dem Städtchen unterbrachen die heimliche Ruhe, welche bisher in der Landschaft geherrscht hatte. Nach und nach entfesselte sich nun auch die so lange verstummt gebliebene Rede wieder, und man kam in lebhaftem Gespräch am Landungsplätze an. Dort hatte sich der Teil der Gesellschaft, welcher vorangeschifft war, versammelt und empfing die Ankommenden mit freudiger Begrüßung. In ungeordnetem, fröhlichem Durcheinanderschwirren begab man sich in den Gasthof, wo der hell mit Kerzen erleuchtete Saal die Gesellschaft wieder aufnahm und den angenehmen Anblick einer mit Früchten, kalten Speisen und Wein wohlbesetzten Tafel darbot, an welcher man sich vor der Rückfahrt noch einmal gesellig sammelte und durch Scherz und belebtes Gespräch den heitern Tag beschloß. Endlich, als es fast Mitternacht war, mußte man sich doch trennen und zur Heimkehr anschicken. Erlhofen konnte die Gelegenheit zu einer wohlgesetzten Rede nicht ungenutzt verstreichen lassen. Er erhob sich auf seinem Platze, füllte sein Glas und sprach: »Nach einer kurzen, aber, so hoffe ich, rühmlichern Regierung, als je ein zeptertragender König geführt – denn während meiner Herrschaft wurde keine Minute anders als zur Beglückung meiner Untertanen verwendet –, nach einer solchen kurzen Titusthronverwaltung nehme ich die mir anvertraute Krone wieder vom Haupte und lege das Zepter dabei nieder. Kein Aufruhr hat mich gestürzt, nicht die Hand des Todes raffte mich hinweg; aber mein Reich verschwindet noch spurloser von der Erde als das des Königs Priamus; denn meine Untertanen zerstreuen sich, nur einem unwiderruflichen Spruch des Schicksals gehorchend, weithin in alle Welt. Der mit einem Zepter verlängerte Arm streckt sich gigantisch über weite Länderstrecken und Millionen Bewohner derselben, schützend und strafend aus; man raube ihm die zwei Fuß Herrscherstab, und er verkürzt sich um zwanzigmal soviel Meilen, er schrumpft ein zu einem liliputanischen Stumpf, der froh ist, wenn er sich eine Fliege von der Nase jagen kann. Wie schmerzlich empfinde ich's daher, teuere Freunde

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