1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
Verbrechen sind, die wir an der Geliebten begehen!«
»Jaromir! Ich weiß, wie unerschöpflich die vergebende Kraft des Herzens ist!«
»Liebe kann sich nicht mit Verachtung paaren.« Er stieß diese Worte wild heraus, starrte auf den Boden und machte eine abwehrende Bewegung mit der Rechten, als wolle er sagen: Versucher, weiche von mir! – »Lodoiska hat dich keinen Augenblick verachtet, sie hat nur bittere Tränen um dich geweint«, entgegnete Boleslaw mit Ernst. »Und statt ihre Tränen zu trocknen, zertrittst du jetzt kalt ihre Brust.«
»Ich zog nur rasch den Pfeil aus der Wunde und sparte ihr die längere Qual! Habe ich sie tödlich verletzt – so wird sie jetzt schnell dahinsinken, und – ihr Blut kommt dann über mich! War die Heilung möglich, so war sie es nur so. Mit dem Geschoß in der Brust windest du dich noch einige qualvolle Stunden hin, aber leben kannst du dennoch nicht. Entscheidung ist besser!«
»Der Schmerz verdunkelt deinen Blick. Traue dem Auge des Freundes!«
»Boleslaw, ich muß dir's wiederholen, hier entscheidet nur ein Herz, das liebt!« – »Und wer sagt dir,« rief jetzt der Freund in hingerissenem Schmerz, »wer sagt dir, daß ich – nie geliebt hätte«, setzte er mit unterdrückter Stimme hinzu. – »Also auch du? Und ohne Glück, ohne den schönen Zweig von dem Blütenbaume zu brechen?« antwortete Jaromir sanft und legte die Hand auf seine Schulter. »Dann laß uns Leidensgefährten sein! – Warum hast du nicht Lodoiska geliebt? Mit dir wäre sie glücklich geworden, du bist soviel besser als ich – ja du bist gut, du hättest die reine Heilige nie gelästert!« Der empordrängende Schmerz preßte Boleslaws Brust zusammen; und er durfte ihm nicht den erleichternden Strom in die Brust des Freundes öffnen! Beide hielten sich innig umfaßt.
»Aber du hast dennoch recht, geliebter Bruder!« unterbrach Jaromir endlich die Stille; »der Wunsch des Todes ist verbrecherisch, denn er ist der Wunsch der feigen Seele. Eine schwere Schuld lastet auf meiner Brust, aber ich will sie durch ein tatenvolles Leben abtragen. Dem Vaterlande will ich's vergelten, was ich an seiner reinsten, schönsten Tochter verbrach. Steh' du mir bei; richte mich auf durch deine edle Kraft, wenn ich in meiner Schwachheit verzage und zurücksinke, sei mein Beispiel, mein Führer! Du warst es ja schon seit langen Jahren, denn stets eiferte ich dir nach. Wie beneide ich dir dieses Kreuz auf deiner Brust, wie strebte ich es gleich dir zu verdienen! Und so muß es wieder werden. Du sollst mich nicht mehr unkräftig, nicht mehr in Gram versunken sehen. Zwar die jugendliche Lebenslust rötet meine Wangen nicht mehr, denn ihre Flügel sind gebrochen; ich zeige euch keine glatte Stirn mehr. Doch ich will auch nicht! Fort damit! Narben und Furchen ernster Männlichkeit sollen sie schmücken, meine Wange soll sich bräunen im Brand der Sonne, im rauhen Strom der Lüfte. Das will ich, Boleslaw! Dazu fühle ich eine neue Kraft in meinen Adern rinnen – aber was du forderst, was du hoffst – davon nichts mehr!«
Der Galopp und das Schnauben eines Pferdes unterbrachen die nächtliche Stille. Es war Rasinski, der den Hügel heransprengte. Jaromir und Boleslaw traten ihm entgegen; er begrüßte sie, sprang vom Pferde und gab das Tier rasch weg. »Füttere es ab,« rief er dem Reitknecht zu, »wir werden bald aufbrechen!« – »Geht es vorwärts?« fragte Jaromir, als sie in die Hütte getreten waren, mit einem Anflug der Freude; denn er glaubte, ein günstiges Zeichen darin zu sehen, wenn sich schnell die Gelegenheit böte, seinen raschen Entschluß durch die Tat zu bewähren.– »Vorwärts? Das Wort werden wir für diesen Feldzug verlernen müssen«, entgegnete Rasinski finster. »Dem Kaiser fehlt noch etwas am Ruf eines großen Feldherrn! Er hatte noch keinen berühmten Rückzug aufzuweisen. Von heute an wird man davon sprechen können!« Die tiefgefurchte Stirn, der düstere Blick, mit dem Rasinski diese Nachricht gab, regte ein banges Vorgefühl in denen an, die ihn umstanden.
»Zurück sollen wir? Nach Moskau? Oder wohin?« fragte Boleslaw erstaunt. – »Nach Moskau? Um auf den Trümmern des Kreml unsere Fahnen aufzupflanzen?« entgegnete Rasinski. »Habt ihr den dumpfen Knall, die bebende Erschütterung der Erde von ehegestern schon vergessen? Es war Mortier, der die alte Burg der Zaren in die Luft sprengte. Gestern mittag empfing der Kaiser die Nachricht, die Kosaken schwärmen jetzt schon wieder in den
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