Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
182 - Im Dorf der Telepathen

182 - Im Dorf der Telepathen

Titel: 182 - Im Dorf der Telepathen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
Vom Netzwerk:
kümmert sie sich um die anderen Schlafwandler und versucht auch sie zu wecken.«
    »Das waren wirklich nützliche Informationen.« Matt stand auf. »Danke fürs Abendessen, Doc. Empfehle mich deiner Frau.« Er stiefelte zur Tür. Bevor er hinausging, drehte er sich noch einmal um. »Was für ein Doktor bist du eigentlich?«
    Doc lachte. »Willst du mich auf den Arm nehmen? Meine Ma hat mir beigebracht, mit welchen Kräutern man ein krankes Malala oder ein Schiip heilen kann. Deshalb nennt man mich ›Doc‹. Ich kann auch einen Bruch schienen, aber ein Doktor wie in den Büchern aus der alten Zeit bin ich natürlich nicht.«
    ***
    Die Nacht brach an. Als Matt an den Gehegen entlang schritt, hörte er das Schnauben und Blöken der Tiere und das Scharren ihrer Hufe.
    Der Himmel war sternenklar; in den bewohnten Häusern klapperten Blech und Porzellan. Kinder quäkten. Vereinzelte Einheimische hatten auf Veranden Platz genommen. Hier und da sah man rot glühende Punkte in der Finsternis. In manchen Gegenden, in denen Matt in den letzten Jahren gewesen war, qualmten die Menschen wie die Schlote; in anderen Ländern war der Tabak, wie vor Christoph Columbus’ erster Fahrt nach Amerika, völlig unbekannt.
    Matt nahm an, dass gewisse Leute seine Schritte mit Argusaugen verfolgten. Manche waren sicher gegen ihn, denn auch er war ein Fremder. Doch genau das hatte Lylah und den Stadtrat ja bewogen, ihm den Job des Ordnungshüters anzubieten: Er war der Einzige, der hier keine verwandtschaftlichen oder freundschaftlichen Bindungen hatte. Sammy der Schmied hatte gesagt:
    »Deswegen drückst du auch kein Auge zu, wenn du meinen Vetter Perry erwischst, wenn er sich mit einem geklauten Piratzel unter dem Arm vom Acker machen will.«
    Im Innenhof der Hauptverwaltung hatte sich, wenn man davon absah, dass nun drei Viertel der Schlafwandler im Schneidersitz am Boden saßen, seit seinem ersten Besuch nichts verändert. Matt bahnte sich eine Gasse durch die reglos starrenden Menschen und bemühte sich, niemanden anzurempeln.
    Die Frauen, die sie versorgten, saßen vor einer Hütte und rauchten Pfeife. Sie sahen müde aus, doch als sie Matt erkannten, hellten sich ihre Mienen auf.
    »Malie ist da hinten«, sagte die Suppenköchin und deutete auf einen der windschiefen Verschläge. »Sie behandelt gerade jemanden… falls man es so nennen kann.«
    »Danke. Ladies…« Matt tippte sich mit zwei Fingern an die Schläfe und ging in die angegebene Richtung.
    Neben dem Hütteneingang saß eine europäisch wirkende Frau mit mittelblondem Haar auf einem Hocker. Sie stierte vor sich hin. Sie war drall und klein, doch sehr attraktiv. Sie atmete wie jemand, der schläft, doch das Unheimlichste war das Leuchten ihrer fast weißen Augen: Als säße die gesamte Energie ihrer Persönlichkeit hinter den Pupillen fest.
    Die Frau sah offenbar nichts: Malie bewegte eine Hand vor ihren offenen Augen hin und her. Die Reaktion war gleich null.
    Ihr Geist ist abwesend, hatte sie gesagt. Doch wenn er nicht hier war… wo war er dann?
    »Seit Wochen«, sagte Malie leise und ohne sich zu Matt umzudrehen, »versuche ich das Bewusstsein dieser Leute aus dem Loch hervorzulocken, in das es gefallen ist. Ohne Erfolg.«
    »Ist es wirklich ein Loch?« Matt baute sich neben Malie auf und verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Vielleicht ist ihr Geist längst tot.«
    »Und wer… betreibt dann ihren Körper?« Malie drehte sich um, und im Schein der Sterne sah Matt den bohrenden Blick brauner Augen.
    »Ein posthypnotischer Befehl?« Matt rührte sich nicht.
    »Bist du mit dem Begriff Wudu vertraut?«
    Malie nickte. »Ja. Du meinst die Yoruba-Religion? Glaubst du allen Ernstes, jemand hätte diesen Leuten die Seele geraubt?«
    »Warum nicht?«
    »Zu welchem Zweck?« Malie ließ ihre Patientin nicht aus den Augen.
    »Du hast gesagt, sie sind hier, weil man sie gerufen hat. Dass sie einem Ruf gefolgt sind, den nur telepathisch Begabte empfangen können. Doc sagt, man hätte sie aussortiert.« Matt räusperte sich. »Vielleicht kann man auch sagen, sie wurden kaltgestellt.«
    Malie fuhr herum. Sie war so verdutzt, dass Matt sofort erkannte, dass sie seine Meinung teilte. Und das nicht erst seit jetzt.
    »Vielleicht hat man sich dieser Leute entledigt«, nahm Matthew den Faden wieder auf. »Vielleicht sind sie überzählig. Vielleicht sind sie für den, der sie gerufen hat, zu schwach, zu instabil. Was weiß ich?« Matt verstummte, trat neben Malie und begutachtete die

Weitere Kostenlose Bücher