1879 - Phantome in Terrania
Paola Daschmagan meinem Boß die Auflage gemacht hatte, zwei seiner Stellvertreter in die Faktorelemente von Kalkutta-Nord und Terrania-Süd zu entsenden. Das war meine Chance, meine Position aufzuwerten. Es ärgerte mich seit meiner Berufung nach Drenderbaums Ableben, im Schatten von Cistolo Khans alles überstrahlendem Charisma zu stehen. Irgendwie freute es mich auch, daß er einen Dämpfer erhalten hatte.
Cistolo Khan hatte es sich dennoch nicht nehmen lassen, in Kalkutta-Nord und Terrania-Süd Truppen in Stellung zu bringen. Allerdings so gut versteckt, daß die Nonggo sie nicht entdecken konnten, falls sie herauskamen. Doch die Fremden ließen sich ohnehin nicht blicken. Also begaben wir uns zu ihnen, hinein in die Faktorelemente.
Mir unterstanden sechs hohe Beamte und vier Wissenschaftler. Da Gia de Moleon mitsamt dem Tower des Terranischen Liga-Dienstes mit Terrania-Süd verschwunden war und derzeit eine leichte Konfusion beim TLD herrschte, blieben mir TLD-Agenten erspart. Vierzig Garde-Roboter gaben uns das Geleit. Das sollte ausreichen, um den Nonggo die gebührende Ehre zu erweisen, wenn wir mit der in den Farben Terras geschmückten Antigravplattform einflogen.
Als wir das Startzeichen bekamen, wußte ich, daß Alex Erengast in Kalkutta-Nord gleichzeitig und unter denselben Bedingungen zum Faktorelement aufbrach.
Die Garderoboter hatten entlang der Bordwände Aufstellung genommen. Meine Begleiter und ich standen am Bugaufbau. Ich zeigte ein siegessicheres Lächeln und sonnte mich in dem Bewußtsein, daß in diesem Moment ganz Terra auf uns blickte.
Caspar Tommon, ein Mitglied des Innenministeriums, stand zu meiner Linken. An meiner rechten Seite hatte Bragan Kareutto, ein hoher Beamter der Kosmischen Hanse, Aufstellung genommen. Ich hatte die Leute nicht ausgesucht und hatte keine Ahnung, nach welchen Kriterien die personelle Auswahl vorgenommen worden war abgesehen davon, daß es sich um diplomatisch qualifizierte Personen handeln mußte. Doch war ich mit der Auswahl nicht ganz unzufrieden, weil ich mich mit Caspar und Bragan recht gut verstand.
„Was uns wohl hinter der FaD-Barriere erwartet, was meinst du, Coer?" sinnierte Caspar.
Wir waren von unserem Startplatz am Stardust-Denkmal im Gobi-Park aufgestiegen und steuerten nun in geringer Höhe langsam auf das Faktorelement zu. Unter uns erstreckte sich unbebaute Parklandschaft, durchzogen nur von einigen Straßen.
„Irgendein Stadtteil von Kenteullen, was sonst?" antwortete ich.
„Kannst du dir da so sicher sein, Coer?" meinte Bragan.
Mein voller Name war zwar Coeru Pinguard, aber meine Freunde wußten, daß es mir lieber war, wenn sie sich das „u" in meinem Vornamen schenkten.
„Hmhm", bestätigte ich und deutete auf die riesige nebelige Wand vor uns. „Da drinnen sind freundliche Nonggo, die sich aus irgendeinem Grund nicht aus ihrem vertrauten Stück Heimat herauswagen. Wir kommen zu ihnen, um ihnen ihre Angst zu nehmen."
„Ist schon wahr - was sollte uns denn auch anderes erwarten als friedliche Nonggö?" redete sich Bragan Mut zu. Ihm war wohl doch ein wenig bange vor dem Unbekannten.
Hinter uns spekulierten die Wissenschaftler über die Technologie der Nonggo, die der unseren überlegen schien.
„Nonggo-Technik ist kein Thema für mich", erklärte ich meinen Nebenleuten. „Ich bin viel mehr am Kulturaustausch zwischen unseren Völkern interessiert. Dafür können wir hier und heute den Grundstein legen."
„Wie ich Cistolo Khan kenne, geht es ihm doch nicht allein darum", sagte Caspar. „Es gibt noch unzählige ungeklärte Fragen im Zusammenhang mit dem Heliotischen Bollwerk, den Baolin-Nda und der Koalition von Thoregon. Diese Antworten zu kriegen, muß sein Anliegen sein. Und als seinem verlängerten Arm auch deines."
„Klar, daß solche Antworten ein starkes Gewicht haben", gab ich zu, schloß jedoch einschränkend an: „Allem voran steht allerdings der kulturpolitische Aspekt. Ich bin kein spionierender Diplomat, ich habe völkerverbindende Funktion."
Beide lachten über den vermeintlichen Scherz.
Doch war das eine glatte Lüge. Khan erwartete von mir natürlich, daß ich schon im Vorfeld so viele Informationen wie nur möglich über die Nonggo und den ganzen Thoregon-Komplex herausfand. Warum das nicht schon beim ersten Faktorelement-Austausch geschah, lag einzig daran, daß Khan nicht damit rechnen konnte, den Kontakt zu den Nonggo so rasch wieder zu verlieren.
Danach sprach keiner von uns dreien mehr ein
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