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189 - Die Regenbogenschlange

189 - Die Regenbogenschlange

Titel: 189 - Die Regenbogenschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Schwartz
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Deshalb setzte sie dich auch aus. Ihr Name bleibt aber Margani, denn diesen kann ihr der Tod nicht rauben. Sie wollte nicht, dass du in den Schlund steigst und das Ei birgst. Viele haben es versucht, aber keiner von ihnen kehrte zurück. Ihre Knochen müssen noch in der Tiefe liegen.«
    Chris schauderte. Er kämpfte sich auf die Knie und betrachtete die junge Frau seiner Träume eingehend. »Das alles ist verrückt. Ich wuchs in Sydney auf. Was weiß ich schon über die Bräuche der Anangu! Das Einzige, was ich von der Regenbogenschlange bisher sah, waren die Devil’s Marbels, die Teufelskugeln, wie die Weißen sie nennen. Sie sollen die Eier der Regenbogenschlange sein, habe ich mir sagen lassen. Aber für mich sind es nur große Steinkugeln, die die Witterung geschleift hat.«
    »Du verlässt dich zu sehr auf deinen Verstand. Er zählt wenig in unserer Welt, in der die Geister alles sind und unser Sein bestimmen.«
    »Ich glaube nicht an Geister.«
    »Willst du die Ahnen sehen? Ich kann dich mitnehmen in das Totenreich. Ich kann dir zeigen, was war und sein wird. Ich bin Tjara, mächtigste Schamanin meines Volkes, Tochter der sieben Schwestern, die einst von der Regenbogenschlange verschlungen und wieder ausgespien wurden. Sieh in meine Augen und ich zeige dir, wonach du seit Jahren suchst. Ich zeige dir, wer du bist.«
    Fasziniert sah Chris in ihre schwarzen Pupillen. Sie erinnerten ihn an die Augen der schillernden Regenbogenschlange, die ihm im Traum begegnet war.
    Tjara fasste seine Schultern und begann zu summen und leise Worte in ihrer Sprache zu singen. Chris spürte, wie er schläfrig wurde. Die Zeit verlor an Bedeutung. Das Jetzt löste sich in Tjaras Stimme auf. Sie waren ewig. Sie waren nichts.
    Welche Bedeutung hatten schon Tage und Jahre?
    »Tjara«, flüsterte er rau. Sein Kopf sackte an ihre Schulter.
    ***
    Sie flogen wie Vögel über das Land. Chris Parker sah buntbemalte Pfähle aus Eisenholz unter sich. Wie ein Wald ragten sie ihnen entgegen. An manchen Stellen waren es mehr, an anderen weniger. Die Pfähle warfen lange Schatten auf den Wüstenboden. Sie waren vorwiegend in Gelb- und Rottönen gefärbt. Symmetrische Muster bedeckten sie.
    »Unter den Pfählen ruhen unsere Toten«, erklärte Tjaras singende Stimme. »Einst waren wir unsterblich wie der Mond, doch durch Bosheit, Dummheit und Gier verloren wir die Unsterblichkeit. Wie die Krähe warfen wir uns auf den Rücken, wenn unsere Zeit kam, und starben, denn so war es uns von da ab bestimmt. Aber wir können zu den Toten gehen, hinein in ein Reich, das ihnen gehört.«
    Sie näherten sich rasch einer dunklen Wolke. Chris hatte Furcht vor der Finsternis, die sie ausstrahlte. Tjara nahm seine Hand.
    »Geliebter.« Ihre Stimme war ein schützender Schild. »Du brauchst gar nichts zu fürchten. Begreife endlich, was du bist.«
    Chris spürte ihre Finger die seinen umschließen, während sie in die Finsternis eintauchten. Er konnte sie nicht mehr sehen. Dafür glitten andere Bilder durch sein Gedächtnis, ganz so, als würde er sich erinnern. Doch die Erinnerungen gehörten nicht ihm. Voller Staunen begriff Chris, dass es die der Toten waren.
    Vierzigtausend Jahre in der Zeit zurück sah er die ersten Menschen vom Norden des Landes kommen. Eine Gruppe spaltete sich von ihnen ab, geführt von einer Frau, die Tjara nicht unähnlich sah. Unter Schmerzen sah er sie ein Kind gebären, das anders war als jedes andere. Die Ahnin hielt es in den Armen. Die Anangu knieten vor ihr und dem Kind. Sie brachten Geschenke dar und segneten den Knaben, der eine gespaltene Zunge hatte. Wie eine Schlange züngelte er, um seine Umgebung zu schmecken. Fasziniert erlebte Chris, wie der Jüngling aufwuchs, begehrt und verehrt, aber auch gefürchtet.
    Die Anangu-Frau starb und das Kind wurde alt. Neue Kinder wurden geboren. Generation folgte auf Generation. Die Geschichte ging weiter. Chris erblickte Bruchstücke einer großen Flut und sah sieben Schwestern, die nach der Flut als Erste das Land betraten. Und immer wieder hörte er Worte, die ihm fremd waren, vermischt mit dem Dröhnen eines Schwirrholzes und dem Klang des Didgeridoo. Chris glaubte auch das Schwirrholz zu sehen, ein flaches, ovales Stück Holz mit Einkerbungen, das an einer Schnur im Kreis geschwungen wurde. Der tiefe Ton schwoll auf und ab, wie das Rauschen des Meeres.
    Er sah die Leben der Ahnen. Bemalte Männer und Frauen führten Tänze auf. Initiationsriten wurden zelebriert. Er sah Feste, in denen

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