1976 - Das Jesus-Papier
eine Anzahl Priester gekannt. Aber keinen, der diesen Namen trug...«
»Ein Priester auf einem Zug! Ein Mann, der dem Ruhm Gottes ergeben war! Der in der Gnade Seiner heiligen Arbeit handelte! Du kannst ihn nicht, darfst ihn nicht leugnen!«
»Mutter Gottes!« Fontine sagte es ganz leise, kaum hörbar; der Schock war überwältigend. »Saloniki. Der Güterzug von Saloniki.«
»Ja! Jener allerheiligste Zug. Dokumente, die das Blut, die Seele der einen, unzerstörbaren, makellosen Kirche sind. Du hast sie uns genommen!«
»Du bist ein Priester von Xenope«, sagte Victor ungläubig, als ihm das klar wurde. »Mein Gott, du bist ein Mönch von Xenope!«
»Mit ganzem Herzen. Mit meinem ganzen Geist, meiner ganzen Seele und meinem Körper!«
»Wie bist du hierhergekommen? Wie bist du in Loch Torridon eingedrungen?«
Mikhailovic zog sein anderes Bein nach. Er stand geduckt da, ein wahnwitziges Tier, das sich zum Sprung vorbereitete. »Das ist belanglos. Ich muß wissen, wohin man jene Kassette gebracht, wo man sie versteckt hat. Du wirst es mir sagen, Vittorio Fontini-Cristi! Du hast keine Wahl!«
»Ich werde dir sagen, was ich den Briten gesagt habe. Ich weiß nichts. Die Engländer haben mir das Leben gerettet. Warum sollte ich lügen?«
»Weil du dein Wort gegeben hast. Einem anderen.«
»Wem?«
»Deinem Vater.«
»Nein! Man hat ihn getötet, ehe er es mir sagen konnte. Wenn du überhaupt etwas weißt, dann weißt du das auch.«
Die Augen des Priesters von Xenope wurden plötzlich starr, sein Blick umwölkte sich, seine Lider weiteten sich wie die eines Schlafwandlers. Er griff unter seine Feldjacke und holte eine kleine, kurzläufige Automatik hervor. Mit dem Daumen legte er den Sicherungsflügel um. »Du bist belanglos. Wir beide sind belanglos«, flüsterte er. »Wir sind nichts.«
Victor hielt den Atem an. Er zog seine Knie an. Der Sekundenbruchteil nahte, in dem er die eine Gelegenheit haben würde, sein Leben zu retten, indem er mit den Füßen nach dem irren Priester stoßen konnte. Mit einem Stiefel die Waffe, mit dem anderen das belastete Bein Mikhailovics, damit würde er ihn über den Abgrund schleudern. Das war alles, was ihm übrig blieb - wenn er es fertigbrachte.
Plötzlich fing der Priester zu sprechen an. Das Geräusch erschreckte ihn, seine Stimme klang wie ein Gesang, eine Litanei. »Du sagst mir die Wahrheit«, sagte er und schloß die Augen. »Du hast mir die Wahrheit gesagt«, wiederholte er hypnotisch.
»Ja.« Fontine holte tief, tief Luft. Beim Ausatmen, das wußte er, würde er mit beiden Beinen zustoßen. Der Augenblick war gekommen.
Petride stand auf, sein mächtiger Brustkasten dehnte sich unter seinem Drillichzeug. Aber die Waffe zielte nicht länger auf Victor. Statt dessen waren Mikhailovics beide Arme in einer Haltung der Kreuzigung ausgestreckt. Der Priester hob den Kopf zum Himmel und schrie.
»Ich glaube an einen Gott, den Allmächtigen Vater! Ich werde in die Augen des Herrn blicken und nicht zagen!«
Der Priester von Xenope bog den rechten Arm und drückte den Lauf der Automatik gegen seine Schläfe.
Er feuerte.
»Sie haben Ihren ersten Toten«, sagte Teague beiläufig. Er saß in einem Besucherstuhl vor Fontines Schreibtisch in der kleinen Umfriedung.
»Ich habe ihn nicht getötet.«
»Es hat nichts zu besagen, wie es geschieht oder wer den Abzug betätigt. Das Ergebnis ist dasselbe.«
»Aber der Grund stimmt doch gar nicht! Dieser Zug, der verdammte, unheilige Zug! Wann hört das endlich einmal auf?«
»Er war Ihr Feind. Das ist alles, was ich sage.«
»Wenn er das war, hätten Sie es wissen, es entdecken müssen! Sie sind ein Narr, Alec!«
Teague schlug die Beine anders übereinander. Es war ihm anzumerken, daß er gereizt war. »Das ist eine recht harte Sprache für einen Captain, der mit einem Brigadier spricht.«
»Dann wäre es mir ein Vergnügen, Ihre Einheit zu kaufen und sie in Ordnung zu bringen«, sagte Victor und wandte sich wieder den Papieren in den Aktendeckeln auf seinem Schreibtisch zu.
»Das tut man beim Militär nicht.«
»Das ist der einzige Grund für Ihre Kontinuität. Als einer meiner leitenden Angestellten würde ich Ihnen keine Woche geben.«
»Ich kann es einfach nicht glauben«, sagte Teague erstaunt. »Da sitze ich hier und lasse mich von jemandem degradieren, der als Soldat noch nicht einmal trocken hinter den Ohren ist.«
Fontine lachte. »Sie sollten nicht übertreiben. Ich tue ja nur, worum Sie mich gebeten haben.« Er
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