2061 - Wächter des Portals
angenommen. Er war stets davon ausgegangen, dass vom Erbe der Ahnen nur noch Kerr-Winnuck geblieben war, die traditionelle Kampfsportart der Sambarkin unter Einsatz der Hörner. Und vielleicht noch ein schwacher Abklatsch davon, die Buddo-Tänze, die schlichtweg zu einem Ritual geworden, wenn nicht sogar verkommen waren. Doch in diesem Augenblick verstand der Revolutionsführer zum ersten Mal, was seine unzivilisierten Vorfahren empfunden haben mussten, wenn sie sich in Gefahr wähnten oder einer unbekannten Bedrohung gegenüberstanden.
Andererseits sah er die Verzückung auf Startac Schroeders Gesicht, und sein Verstand sagte ihm, dass von dieser energetischen Erscheinung keinerlei Gefahr ausging. Die Faszination in ihm wurde immer stärker, doch ein Rest von Vorsicht blieb. Was war in dem Licht mit dem Mutanten geschehen?
War er noch Herr seiner Sinne? Seiner selbst? Ruben zögerte und haderte, doch dann wurde ihm klar, es gab nur eine Möglichkeit, die Wahrheit herauszufinden. Er dachte an die Schule der Schnitzer vom Sommerhügel, verfluchte sie und sehnte sie gleichzeitig herbei, ergriff Startac Schroeders Hand und folgte ihm in das Licht.
Die Faszination überwältigte ihn. Er machte einen Schritt, einen kleinen Schritt für einen Sambarkin, aber einen großen für die Astronautische Revolution, wie er hoffte und annahm, und war in einer anderen Welt. In einem anderen Universum.
Oder noch immer in dem seinen, doch in diesem Fall sah er es zum ersten Mal so, wie es wirklich war. Vielleicht auch nur so, wie das Licht es ihm zeigte. Das Universum war völlig schwarz, aber es war von Tausenden von leuchtenden Punkten durchsetzt. Das Netz, dachte er. Das Netz der Portale im Land Dommrath. Ich sehe alle Portale vor mir, jedes einzelne Portal in unserem Land. Do'Gwinyr, Do'Cennyr, die verschiedenen Spiralarme von Dommrath, er erkannte alles ganz genau. Aber es war nicht zu vergleichen mit dem Betrachten einer dreidimensionalen Sternenkarte. Er hatte den Eindruck, Teil des Landes zu sein, während das Land gleichzeitig ein Teil von ihm und in ihm war.
Und dann sah er die viel schwächer leuchtenden Fäden, die sich wundersam filigran und gleichzeitig schier unzerreißbar, wie er instinktiv wusste, zwischen den Portalen spannten. Von jedem einzelnen Portal führten diese Fäden zu allen benachbarten. Sie bildeten ein wunderschönes Gespinst in der Dunkelheit, eine Offenbarung, die sich jedoch seinem Verständnis entzog. Noch. Ruben Caldrogyn schaute an seinem Körper hinunter, und ein eiskalter Schrecken ließ die Pracht, die ihn umgab, erstarren. Denn er hatte gar keinen Körper mehr. Er war die Dunkelheit und das Licht und die Fäden. Und befand sich gleichzeitig in alledem.
Wir sind entstofflicht worden, vernahm er Startac Schroeders Stimme, bevor die Panik ihn mitreißen konnte. Offenbar erfolgt das automatisch, wenn man den Portalen Äther betritt. Den Portalen Äther? Ruben wusste nicht, wie die Verständigung zustande kam. Er empfing einen Gedanken, und er dachte einfach eine Erwiderung, und die Antwort bestätigte, dass sein Gedanke angekommen war. Hat der Äther dir das denn nicht verraten? Er fragte sich, wie man mit einem entstofflichten Gehirn denken konnte. Was? dachte er. Nun, was er ist. Was er tut. Der Äther ist das Do'Tarfryddan. Nein, dachte Ruben zornig. Offensichtlich war die Affinität zwischen dem Portalen Äther und dem Terraner stärker als die zwischen dem Äther und ihm. Vielleicht lag es daran, dass Schroeder ein Mutant war? Nein, das hat er nicht. Die Bewegung im Portalen Äther erfolgt durch reine Willenskraft, erklärte Schroeder. Wer durch den Weißen Schnitt in das System eingedrungen ist, verfügt entlang den Fäden des Do'Tarfryddan über absolut freie Beweglichkeit von jedem Portal zu jedem anderen. Den Weißen Schnitt?
Das Entstofflichungsfeld, in das ich dich geholt habe. Und jetzt probiere es! Such dir einen Faden aus und gleite an ihm entlang! Ich bleibe bei dir!
Ruben Caldrogyn wusste nicht, wie er es anstellen sollte, und tat es einfach. Er glitt zu einem der leuchtenden Fäden und an ihm entlang, und seine Umgebung veränderte sich. Zuerst vorsichtig, dann immer schneller raste er von einem Lichtpunkt zum anderen und wechselte ständig die Richtung, um die neue Art der Fortbewegung einzuüben. Es gab nichts einzuüben. Die Ortsveränderung im strahlenden Netz stellte nicht das geringste Problem dar.
Er beherrschte sie, als hätte er nie etwas anderes getan. Ruben
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