212 - Das Skelett (German Edition)
Stadt und eine Menge einflussreiche Persönlichkeiten. Also bringe dich ein. Kannst du dich nicht einfach mal zusammenreißen und auf deine wenigen Aufgaben fokussieren? Niemand anderem habe ich es jemals so einfach gemacht wie dir.
Was soll ich denn noch tun ?«
Artjoms Worte zogen mich immer weiter runter.
Meine Stimme war weich und flehend:
»Ich komme einfach nicht mit eurer Art, mit dieser zu jeder Zeit latenten Gewaltbereitschaft zurecht. Bitte lasse mich Martha versorgen und fahre zurück. Ich werde die neue Klinik mit aufbauen und schenk euch mei…«
Weiter kam ich nicht. Michail sprang wie von einer Tarantel gestochen auf und verpasste mir eine schallende Ohrfeige, dass ich dachte, mein Schädel trennt sich vom Rumpf. Ich schrie wie am Spieß. Das machte ihn noch wahnsinniger, bedrohlich baute er sich vor mir auf. Ich lag wie eine Memme auf den Planken und hielt schützend meine Hände vors Gesicht. Jetzt stand ich Todesängste aus und dachte, er würde völlig ausrasten und mich wieder bearbeiten.
Artjom wurde nicht laut , aber resolut und mit dunkler Stimme sprach er irgendetwas auf Russisch zu Michail.
Sofort schritt er wie an einer Schnur gezogen zurück und setzte sich wieder. Artjom war der Mittelpunkt der Erde und niemand anderes.
Sein Gesicht war meines Erachtens wieder, wie ich ihn immer kannte.
Entspannt meinte er zu mir:
» Henryk, höre zu. Tue jetzt, was ich sage, und dir wird niemand mehr auch nur eine Schramme zufügen. Dies ist ein Versprechen! Ich muss deiner uneingeschränkten Loyalität sicher sein und dir völlig vertrauen können. Du erhältst soviel Auszeit, wie du brauchst, aber du musst, wenn wir dich benötigen, einfach nur funktionieren.
Schmeiß Martha über Bord oder ich lass e sie von diesen beiden Kosaken vor deinen Augen tottreten. Sie stirbt auf jeden Fall!«
Das war heftig, ich wollte solche Worte nicht hören und war fassungslos.
Mir platzte der Schädel und ich sollte in einer Hundertstelsekunde eine weitreichende Entscheidung treffen. Ein Albtraum!
Es war aber kein Traum, es war die grausame Wirklichkeit, welche ich aus freien Stücken gewählt hatte. Sex, Reichtum, Macht – nur um das alles zu erleben.
Der eine Typ blickte zu Artjom - er nickte, ein Zeichen. Ich war wankelmütig.
Kosaken - f reie Krieger? Mitnichten!
Dieses muskulöse Monster wollte sie treten. Ich musste mich sofort entscheiden, um sie nicht dieser Brachialgewalt auszusetzen.
Tottreten - unendlicher Schmerz!
Nein, das durfte ich nicht zulassen.
»Stopp!«
Er hielt tatsächlich inne.
Ich rappelte mich auf und entriss meine Geliebte aus den Fängen dieser Unmenschen und umarmte sie. Martha lächelte mich liebevoll an und flüsterte mir etwas ins Ohr, aber ich verstand sie nicht. Sie roch nach diesen Tieren, sofort dachte ich an Beate. Diese Situation riss mir mein Herz heraus. Ich näherte mich mit ihr der Reling und drückte sie dagegen. Sie half mir, ließ sich nach hinten fallen und stürzte lächelnd ins Meer. Ich heulte Rotz und Wasser und schaute ihr mit wirrem Augenflattern hinterher.
Sie verschwand .
Mit einer unbändigen Kraftanstrengung sprang ich hinterher – in die Todeswellen.
Ich würde nie wieder mein Konterfei im Spiegel ansehen können, es musste sein.
Zu mir drang en noch im Flug, die hektischen Zurufe von Artjom an seine Handlanger.
Nicht einmal eine Minute später umklammerte mich ein stahlharter Arm am Hals und zog mich in Richtung meiner Yacht. Ich hatte schon reichlich Meerwasser ges chluckt, wollte mein Ertrinken schnell erreichen und Martha in den sicheren Himmel folgen.
Nur Artjom Chlebnikov ließ es nicht zu, weil er nichts dem Zufall überließ oder gar schicksalshaften Ereignissen eine Berechtigung einräumte.
Einer der Unholde war auch noch ein früheres Mitglied einer russischen Eliteeinheit, ein Kampfschwimmer. Der hätte mich wahrscheinlich bis nach Spaniens Küste gezogen. Und wieder lag ich auf meinen wunderschön polierten Teakholzplanken und spuckte reichlich Salzwasser aus. Ich hustete und prustete, er schüttelte mich wild. Am liebsten hätte ich diesen Berber geschlagen, aber der hätte sich wahrscheinlich eher totgelacht, als ich ihn hätte verletzen können. Sie setzten mich hin, gaben mir zu trinken und legten mir eine Decke um. Ach, wie fürsorglich.
Artjom lächelte mich an. Fantasierte ich? Nein, er lächelte mich wirklich an. Wie kann jemand nach solch dramatischen Minuten lächeln?
Ich verstand gar nichts
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