227 - Herr des versunkenen Reiches
nicht der Auslöser für sein Lächeln. Er wirkte geradezu verklärt, als er durch die Schleuse ins Haus der Marsianer trat. Man konnte glauben, Quart’ol wäre einer Gottheit begegnet.
In gewisser Weise stimmte das sogar. Der Hydrit hatte den Tag damit verbracht, sich mit Yann zu beschäftigen, um dessen Vertrauen zu gewinnen und die Erlaubnis für eine Geistverschmelzung zu erhalten. Er hatte gehofft, durch die mentale Begegnung mit Nefertari mehr zu erfahren als durch bloße Gespräche. Dass Yann noch einen zweiten Hydriten in sich trug, davon ahnte Quart’ol nichts. Bis er dessen Stimme hörte und Gilam’esh sich ihm offenbarte. Nachdem klar war, dass es kein Volk in Gilam’esh’gad gab, das ihm huldigen wollte, gab der Weltenwanderer sein Versteckspiel auf.
Matt blickte hoch, als sein Freund im Türrahmen erschien. Quart’ol streckte die Hände vor und kam so eilig heran, dass dem Mann aus der Vergangenheit kaum Zeit blieb, sich zu erheben.
Er hat mit Gilam’esh gesprochen!, dachte Matt sofort. Bin mal gespannt, was er dazu sagen wird.
Der Hydrit blieb vor ihm stehen. Lächelte. Seufzte tief. »Ich habe lange überlegt, ob ich dir eine reinhauen oder dich küssen soll«, klackte er schließlich. »Mir die Anwesenheit des Propheten zu verheimlichen, war kein netter Zug von dir!«
Matts geheuchelter Ernst zerfloss in ein breites Grinsen. »Und? Zu welchem Ergebnis bist du gekommen?«
»Dass keine dieser Optionen angemessen wäre. Matt, alter Freund!« Quart’ol schlang seine Arme um den Gefährten, klopfte ihm den Rücken. »Ich weiß nicht, wie ich dir jemals dafür danken soll!« Er blickte an Matt vorbei auf die Marsianer. »Er hat Gilam’esh zu uns gebracht! Den Propheten! Den Friedensstifter! Den Bedeutendsten aller Hydree!«
Vogler und Clarice tauschten erstaunte Blicke. Gilam’esh? Wie war das möglich? Sie wussten natürlich von Matts Seelenwanderung, aber wie er waren sie bislang davon ausgegangen, dass der uralte Hydree längst tot war.
Matt erzählte Quart’ol von seiner Freundschaft mit dem Weltenwanderer, von der Lebensspanne, die er in Gilam’eshs Geist auf dem Mars verbringen musste – oder durfte –, und von dessen Exil im Zeitstrahl der Hydree, als sein Körper auf Rotgrund starb. Er berichtete ihm und den beiden Marsianern von der Rettungsaktion, die Gilam’esh erlöste, obwohl sie eigentlich einem anderen gegolten hatte, nämlich Kaiser de Rozier. Von Gilam’eshs dreieinhalb Milliarden Jahren Einsamkeit und dem daraus resultierenden Wahnsinn. Und von seiner Heilung, nachdem er unbemerkt in Yanns Verstand übergewechselt war.
Als Matts Geschichte endete, breitete sich eine fast ehrfurchtsvolle Stille aus, einzig durchbrochen von leisem Klickern. Aruula saß ein Stück abseits in ihrem Bionetiksessel und spielte demonstrativ mit zwei Austernperlen. Matt vermutete, dass die Barbarin nach ihrer Erfahrung mit Nefertari ein eher getrübtes Verhältnis zu hydritischen Geistwesen hatte und sie als alles Mögliche ansah, nur nicht als Gottheiten.
Quart’ol wandte sich an die Marsianer. »Wir müssen morgen unbedingt damit anfangen, die Klon-Anlage hochzufahren! Gegenwärtig sind alle Tanks im Schlafmodus; klar, wir hatten ja nicht vor, sie zu benutzen. Aber jetzt… oh, ihr Götter! Gilam’esh! Ich kann es noch gar nicht fassen!«
Matt runzelte die Stirn. »Du meinst mit Tanks die Zuchtbecken, in den organische Materie angesetzt wird, um daraus seelenlose Körper zu gewinnen?«
»Exakt.«
»Und die befinden sich im Schlafmodus? Wie kann das sein, wenn Gilam’esh’gad seit Jahrtausenden verlassen ist?«
Quart’ol lächelte unergründlich. »Ich glaube, ich hatte es schon einmal gesagt: Diese Stadt ist voller Geheimnisse! Einem davon sind wir in der Klon-Anlage auf die Spur gekommen.«
»O ja, ich erinnere mich.« Clarice nickte heftig. »Das war eine ganz verspukte Geschichte, Matt! Vogler, Quart’ol und ich hatten gerade das Wissenschaftszentrum entdeckt. Wir sind durch die Gebäude geschwommen, wollten uns umsehen. Dabei haben wir in den Katakomben unter der medizinischen Station ein Aggregat gefunden. Es war an ein Kontrollgerät angeschlossen, das wahrscheinlich den Verbrauch dokumentieren sollte. Das Ding hat geblinkt, und ich weiß noch, wie Quart’ol sagte: Irgendwas zieht hier Energie !« Die Marsianerin schüttelte sich. »Ich kriege noch heute eine Gänsehaut, wenn ich daran zurückdenke!«
»Wir sind den Leitungen gefolgt«, führte Quart’ol weiter aus,
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